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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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und Lebensordnung wacht. Ein Fachmann für die Hebräische Bibel erklärte das:
    «Der Sühne bedürftig ist alles mit Sünde und Unreinheit Behaftete. Nichts Derartiges kann vor dem heiligen Gott bestehen. Gegen ungesühntes der Sühne Bedürftiges müßte sich vernichtende, lebensbedrohende Reaktion Gottes auswirken. Sühnung wird gewirkt vor allem durch Besprengung und Bestreichung mit Opfertierblut.»    [38]  
    Das war vom Gott des Alten Bundes gesagt. Er ist empfindlich; man kann ihn beleidigen. Er rächt sich, wenn er nicht versöhnt wird. Und gnädig wird er durch Blut. Der Tod Christi, schreibt Paulus, ist eine Sühnegabe, ein Mittel der Versöhnung.    [39]  
    In den ersten christlichen Jahrhunderten breitete sich am Mittelmeer der Glaube aus, es gebe einen guten und einen schlechten Gott. Der schlechte Gott habe die sichtbare Welt geschaffen, der gute Gott schenke uns die Erkenntnis ( gnosis ) über diese Tatsache und zeige uns durch seinen vom Himmel kommenden Gesandten den Weg der Befreiung aus dem Gefängnis der Sinnenwelt.
    Diese dualistischen Gruppen sahen die Erlösung als Befreitwerden aus dem Herrschaftsbereich des bösen Gottes, der die sichtbare Welt geschaffen habe. Die christliche Erlösungslehre ist die abgemilderte Version dieser metaphysischen Zwei-Prinzipien-Lehre. Sie versprach, Christen entkämen den Klauen des Teufels. Der Satan hieß dann nicht mehr ‹Gott›, war nicht mehr der Schöpfer, aber er war immerhin noch Herr dieser Welt. So war der Monotheismus gewahrt, aber Menschen lebten in kosmischer Kampfsituation und verlangten Befreiung von metaphysischer Fremdherrschaft.
    Dazu paßte die Vorstellung, die Erlösung sei ein Loskauf. Wer erlöst werden wollte, mußte dafür etwas opfern. Man achte, wenn christliche Urkunden von ‹Erlösung› reden, auf Terminologie und Metaphern. Erlösung heißt red-emptio, Rückkauf .    [40]   Der Herr, der Zorn auf sein Volk hatte, wird durch Zahlung versöhnt. Schuld wird durch Geschenk oder Zahlung ausgeglichen. Der Verärgerte erhält Sühne und wird wieder gnädig.
    Die Metapher des Freikaufs stammt vom Sklavenmarkt. Auf barocken Darstellungen des Kreuzestods zerreißt ein Engel den Schuldschein. Diese Metapher stammt von Paulus. Mit dem Tod Christi hat die Menschheit abgezahlt. Jesus hat stellvertretend den Tod, den sie verdient hat, auf sich genommen und dadurch die Menschen vom Tod befreit. Das Bezahlen der Schuld besteht im freiwilligen Tod. Im Vergießen von Blut. Mit Geld ist es nicht getan; zur Versöhnung Jahwehs muß Blut fließen.

    Gottes Zorn wurde gestillt, indem wir seinen Sohn töteten. Irgendwie muß das Gott gefallen haben. Er hat es jedenfalls so gewollt und hat dazu seinen Sohn auf die Erde geschickt. Menschliche Väter haben selten Freude daran, wenn ihr einziger Sohn umgebracht wird. Aber im Neuen Testament stehen solche Wendungen: Jesus zahlte mit seinem Tod das Lösegeld.    [41]   Paulus teilt mit, die Rede von Jesu Tod «für unsere Sünden» sei ihm übermittelt worden, 1 Korinther  15,3. Diese Vorstellung dramatisierte und archaisierte das Konzept der Erlösung – das stellvertretende Blutopfer Jesu besänftigte den Zorn Gottes. Vielleicht erleichterte dieses Bild es den ersten Christen, mit dem Schock der Hinrichtung des Gerechten fertig zu werden. Wäre es nur darum zu tun gewesen, den Menschen zu vergöttlichen oder ihm die Wahrheit vom Himmel zu bringen, daß Gott ihn liebt, dann wäre der Kreuzestod nicht nötig gewesen. Aber dieser schmähliche Tod mußte doch in Gottes Plan einen besonderen Sinn haben, eben als Opfer für die Vielen. Christen ordneten so das Erlebte in das bereitliegende kulturelle Muster ein, der Mensch müsse den Göttern etwas opfern, um ihr Wohlwollen zu erhalten. Ein Opfer, sacrificium , bringen, das hieß: etwas Heiliges tun. Judenchristen lasen nach Jesu Tod die Hebräische Bibel neu und fanden jetzt den Tod des Messias geweissagt, bei Jeremias  53 und in den Psalmen  22 und 69. Die weitere Erklärung, was «für die vielen» heißt, gab Paulus.
    Diese Erlösung dürfen wir uns vorstellen wie eine afrikanische Jagdszene unter Wildtieren: Löwen drängen eine Zebraherde zusammen, sie lauern auf das jüngste oder schwächste Tier. Sie stürzen auf es zu, und die übrige Herde kommt befreit davon. So versöhnt das blutige Sühnopfer Christi Gott und die Menschheit. Vorausgesetzt war, der eigentliche Akteur bei der Kreuzigung sei Satan gewesen; außerdem galt es als

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