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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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Erlösungsvorstellung der ersten Christen behielt lange noch Reste der Hoffnung auf Wiederherstellung Israels und Errichtung des Gottesreichs auf Erden. Viele antike Christen glaubten an die tausendjährige Herrschaft der Christen im wiederaufgebauten Jerusalem. In der Folgezeit hatten Christen das beseligte Bewußtsein, endlich die Wahrheit zu sehen, befreit zu sein von den Irrtümern des Götzendienstes, belehrt von Jesus, dem wissenden Lehrer, der vom Himmel herabgestiegen war. Erlöste hatten die Hoffnung, vergöttlicht mit Gott zu leben, als befreite Seele am überirdischen Ort. Mancher Laientheologe nennt heute allein dieses Erlösungsmotiv und vergißt darüber den Zorn Gottes und seine Forderung nach Genugtuung; gutherzig täuscht er Gläubige wie Ungläubige über den Glauben der Christenheit.
    Die Erscheinungen des Getöteten hatten neue Hoffnung geweckt, nun nicht mehr auf die Vertreibung der Römer und hohe Posten für die Jünger, sondern auf die baldige Herabkunft des Gottesreichs vom Himmel her. Dieses Gottesreich ließ sich religiös deuten als endgültige Durchsetzung des Gotteswillens auf Erden oder politisch als Erneuerung der Unabhängigkeit Israels. In beiderlei Gestalt kam es nicht. Als die dritte Christengeneration starb, war offenbar diese Art ‹Erlösung› nicht eingetreten; die Hinterbliebenen deuteten ‹Erlösung› erneut um. Sie verschoben die herrliche Wiederkunft Jesu auf unbestimmte Zukunft und verstanden ‹Erlösung› als Befreiung der Seele durch wahre Erkenntnis und gerechtes Leben oder durch magische Wiedergeburt aus ‹Wasser und Heiligem Geist›. Sie fanden sich erlöst von den gräulichen Irrtümern der Heidenwelt und ihrer moralischen Korruption, andere glaubten, sie entgingen der Todläufigkeit des irdischen Lebens.
    Die Erlösung bedeutete Gewinn der Wahrheit. Jetzt jubelten die Christen, Jesus zeige ihnen das wahre Gesicht Gottes. Er führe die Gläubigen aus der Finsternis zum Licht. Er befreie vom Irrtum des Polytheismus; er gebe sichere Einsicht in die duale Diesseits-Jenseits-Struktur der Welt, also in ihr Unten und Oben; er verbürge Hoffnung, herausgerettet zu werden aus dem Kerker der stofflichen Welt. Das Glück des wahren Lebens bestand dann in der Erkenntnis Gottes, des allein wahren Weltgrundes, wie das Johannesevangelium  17,3 schreibt.
    So gab es seit dem 2. Jahrhundert ein Nebeneinander von Erlösungskonzepten: Christus war der Lehrer der Wahrheit; er gab Anteil am göttlichen Leben, und er versöhnte als Sühneopfer. Die Erwartung der Wiederkehr Jesu verblaßte; die Sakramente gewannen an Bedeutung; sie setzten auf geheime Weise Jesus gegenwärtig, der auf den Wolken nicht kam: Die Taufe wusch alle Sünden weg, so begann schon auf der Erde die Vergöttlichung der Berufenen; die Vereinigung mit dem Erlöser in der Eucharistie fand ihre Vollendung in der Aufnahme der Seele in den Himmel, unter dem Begleitschutz von Engeln, vorbei an den Dämonen, die den Luftraum beherrschten. Die Erlösung wurde so seit dem Ende des 2. Jahrhunderts zur Vergottung der Seele. Irenäus von Lyon und andere Autoren schrieben, Gott sei Mensch geworden, damit der Mensch Gott werde. Andere sahen die Sache mehr ethisch, praktisch als Befreitwerden von der Sünde, als Realisierung des richtigen Lebens nach dem Willen Gottes. Die liturgische Wiederholung des letzten Abendmahls Jesu deutete voraus auf die endgültige Befreiung von aller Last des irdischen Lebens. Je schwieriger, je bedrohter das Erdenleben war und/oder so gesehen wurde, um so mehr wuchs der Kontrast zwischen Diesseits und Jenseits. Dualistische Weltauffassungen gewannen an Zustimmung. Sie konnten sich aufs Neue Testament berufen; schließlich wünschte Paulus nichts so sehr, als daß sein Leib aufgelöst werde, um bei Christus zu sein; im Johannesevangelium (12,31) stand, der Satan sei der Herr dieser Welt. Dann war Erlösung das Herausgerettetwerden aus dieser Welt. Die Weltsicht von Genesis  2–3 siegte in manchen Christengruppen, zumal in Jahren der Verfolgung, über die Aussicht siegreicher Weltbeherrschung nach Genesis  1. Dies führte zur erneuten Anknüpfung an Paulus, besonders an dessen Römerbrief .
    Der folgenreichste Wortführer des neuen Paulinismus wurde Augustin, vor allem seit seiner Wende in der Gnadentheorie von 396/397. Er entwarf ein umfassendes Erlösungskonzept; er beschränkte sich nicht auf die Frage, wovon Christen erlöst seien. Er wiederholte auch nicht einfach die Ansichten des

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