Warum ich?: Ohne Ausweg... (German Edition)
gesetzt und musste nun mit der Verachtung leben.
Aber nicht nur ich musste damit leben.
Was es für meine Familie bedeutete, erfuhr ich in den nächsten Tagen.
Betty blieb bei meinen Eltern und ich in unserem Haus.
Allein!
Das Leben, das warme Miteinander war einer eisigen Einsamkeit gewichen. Kein lautes Lachen meiner kleinen Tochter, keine nervtötende Musik von Timo. Ich vernahm nicht das leise Summen meiner Frau, wenn sie die Melodie eines Liedes mehr falsch als richtig wiedergab. Nichts!
Die morgendliche Unruhe fehlte mir.
Da ich suspendiert war, hatte ich keine Eile. Ich versuchte bei einem Kaffee und der Tageszeitung wieder klar im Kopf zu werden.
Der Lokalteil zog mir erneut den Boden unter den Füßen weg.
Schwarz auf weiß las ich, dass bereits über meinen Fall geschrieben wurde.
Lehrer vergreift sich an Schüler!
Wie wir aus sicherer Quelle erfahren haben, hat sich ein Lehrer des Löns - Gymnasiums an einem seiner Schüler sexuell vergangen.
Der noch minderjährige Schüler wird nach Aussage der Eltern die Schule verlassen.
Der betreffende Lehrer wurde durch die Schulleitung umgehend suspendiert.
Die Polizei war zu einer Stellungnahme nicht bereit, da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.
Sind unsere Kinder überhaupt noch sicher?
Ich lief in die Toilette, um mich zu übergeben. Wie hatte das so schnell an die Presse gelangen können! Was sollte ich jetzt tun?
Ich rief in der Schule an, wollte den Rektor sprechen, aber die Sekretärin weigerte sich, mich durchzustellen.
Also schnappte ich den Schlüssel und stieg ins Auto. Ich musste reden. Egal mit wem. Zuhause allein hielt ich es nicht aus. Es durften keine weiteren Einzelheiten an die Presse gelangen. Auf keinen Fall.
Mein Weg führte mich zur Schule. Auch wenn ich dazu angehalten worden war, mich dort nicht blicken zu lassen.
Ich musste mit dem Rektor reden, unbedingt, koste es, was es wolle. Lehrer und Schüler befanden sich gerade Unterricht und so traf ich keine Menschenseele.
Meine Schritte hallten in den leeren Gängen und ebenso in meinem Kopf.
Was versprach ich mir davon? Hatte der Rektor nicht eindeutig Stellung bezogen? Er verurteilte mich, so viel war klar. Am Sekretariat angekommen klopfe ich an. Das freundliche "Herein" verflüchtigte sich, sobald die Sekretärin mich zu Gesicht bekam.
"Herr Kramer, sie sind suspendiert und ihre Anwesenheit ist nicht erwünscht", kam ihr prompter Kommentar.
"Ich will mit dem Rektor sprechen, es ist mir egal, ob ich erwünscht bin oder nicht!", gab ich zurück.
Ohne weiter auf Anweisungen zu warten, betrat ich das Büro des Rektors.
"Was fällt ihnen ein? Ohne vorher anzuklopfen!", schimpfte dieser sofort los.
Was war bloß mit dem guten Verhältnis passiert, welches er und ich einmal gepflegt hatten?
Keine Frage, wie es zu diesem Vorfall hatte kommen können, nichts!
Verurteilt, bevor eine Verhandlung stattgefunden hatte.
"Wer hat das an die Presse weiter gegeben?", platzte ich unwirsch heraus.
"Na ich bestimmt nicht. Meinen sie, ich will diese Schule freiwillig in Verruf wegen Kinderschändung bringen?" Die Antwort saß.
"Jannis ist kein Kind mehr und ich bin nicht pädophil. Ich verbitte mir solche Verleumdungen. Wenn sie es nicht waren, wer dann?" Mein Kopf begann wieder zu schmerzen. Er zuckte mit den Schultern.
"Kramer, packen sie ihr Zeug und verschwinden sie, bevor ich sie rauswerfen lasse", war alles, was er zu sagen hatte.
Ich resignierte und verließ mit gesenktem Kopf das Büro. Als ich aus dem Sekretariat ging, vorbei an der kopfschüttelnden Tippse, klingelte es zur großen Pause.
Einen schlechteren Zeitpunkt hätte ich nicht wählen können, aber da musste ich jetzt durch. Die Schüler strömten aus den Klassen und warfen mir neugierige Blicke zu. Anscheinend wusste jeder auf der Schule Bescheid. Einige meiner Kollegen schlugen, gemeinsam mit mir, den Weg zum Lehrerzimmer ein, wichen meinen Blicken aber aus, grüßten nicht und versuchten, meine Anwesenheit zu ignorieren.
Ein paar der älteren Schüler rempelten mich an, warteten gespannt auf meine Reaktion. Ich ging einfach weiter. Da verließ Betty den Klassenraum. Sie bemerkte mich sofort und strich sich hektisch eine Haarsträhne hinters Ohr.
Auch sie lief eilig weiter, versuchte mich nicht zu sehen, mir keine Aufmerksamkeit zu schenken. Es gab mich nicht.
Im Lehrerzimmer angekommen wurde sofort heftig getuschelt. Mein Name fiel, aber in der dritten Person, ganz so als wäre ich nicht da.
"Schämen sie sich!" Eine ältere
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