Warum ich?: Ohne Ausweg... (German Edition)
das ihn verloren wirken ließ.
Der Familienanschluss bei uns tat ihm sicher gut. Dennoch schaffte er es nicht, sowohl Betty als auch mir, beim Sprechen in die Augen zu sehen.
Sein Blick war stets nach unten gerichtet.
Einzig Jacky lockte ihn aus der Reserve. Die Zwei tobten lachend durch den weitläufigen Garten und spielten fangen. Timo setzte sich zu mir, was mich wunderte, suchte er, wenn er Besuch hatte, nicht meine Nähe.
"Paps, ich hab mal ne Frage. Jannis würde dich nie fragen, aber ich habe gesagt, dass du ihm vielleicht ein paar Nachhilfestunden in Französisch geben könntest, damit er von der Fünf runter kommt. Was meinst du?" Bittend sah er mich an.
Ich überlegte. Im Grunde gab es dagegen nichts einzuwenden. Jannis konnte wirklich jede Hilfe in Französisch gebrauchen.
"Wenn er das auch wirklich will, klar, kann ich ihm helfen. Ich bin Lehrer!", schmunzelte ich, verstrubbelte meinem Sohn die Haare und drückte ihn. Protestierend machte er sich los. Es war ihm peinlich vor seinen Freunden, wenn ich ihn in den Arm nahm. Jannis hatte uns beobachtet und ein merkwürdiger Ausdruck lag auf seinem Gesicht.
Abwesend wirkte er und dennoch gefangen in dem kurzen Moment väterlicher Fürsorge, den er beobachtet hatte.
Viel später erfuhr ich, dass dieser Moment den Stein ins Rollen gebracht hatte. Den Stein des Verderbens ...
Von diesem Tag an verbrachte Jannis mehr Zeit bei uns, als zu Hause. Timo und er verstanden sich wie Brüder. Sie ergänzten sich perfekt. Timo aufgeweckt, Jannis ruhig, Timo manchmal unbeherrscht, Jannis in sich gekehrt. Gleiche Hobbys und auch ihr Humor ähnelten sich.
Es bereitete mir Sorge und auch Betty fragte sich, ob die Eltern ihn nicht vermissten. Diese schienen nicht oft zu Hause zu sein. Normalerweise hätten wir das Jugendamt einschalten müssen. Jannis hatte zwar alles was er benötigte und eine Haushälterin reinigte das Haus, wusch, kaufte ein und kochte für ihn, aber sonst war er meist sich selbst überlassen.
Es war nicht unsere Aufgabe Jannis praktisch wie eins unserer Kinder mit zu erziehen, aber darauf lief es beinah hinaus, so viel Zeit verbrachte er bei uns.
Stets zuvorkommend machte er keinen Ärger und bereicherte unseren Haushalt.
Sozial wie Betty und ich eingestellt waren, fragten wir nicht, sondern machten einfach.
Im Nachhinein brach auch dieses Handeln mir nachher das Genick. Mir wurde die ehrliche Fürsorge, die ich Jannis gegenüber hegte, genau zum Gegenteil ausgelegt.
Jannis und ich lernten regelmäßig Französisch.
Timo war dann beim Fußball. Jacky, die Jannis heiß und innig verehrte, hatte Reitstunde und Betty besuchte das Fitnessstudio ihres Vertrauens.
Jannis gab sich sehr viel Mühe, zeigte sich wissbegierig, um mir zu gefallen.
Ich fand es irgendwie niedlich, wie er sich ins Zeug legte. Völlig geknickt war er, als die erste Arbeit, trotz intensiven Lernens, wieder schlecht ausfiel. Eine dicke Fünf prangte darunter.
Er traute sich gar nicht mir in die Augen zu sehen, noch weniger als sonst.
Ich kam nicht dazu ihm nach dem Unterricht ein paar Worte dazu zu sagen, so schnell verschwand er. Timo hatte ihn auch nicht gesehen.
Als wir an diesem Tag gemeinsam nach Hause fuhren, machte ich mir wirklich Sorgen um Jannis. Betty und ich diskutierten, wie wir verfahren sollten. Jannis tauchte nach dem Französisch-Unterricht nicht mehr auf. Wo steckte der Bengel bloß? Und was dachte er sich dabei, einfach davon zu laufen?
Timo zuckte mit den Schultern, wusste auch nicht, wo er stecken konnte. Jacky weinte und ließ sich nur schwer beruhigen.
Erst mal ruhig bleiben, beschlossen wir und das Warten wurde belohnt. Als es draußen bereits dunkel wurde, erschien ein geknickter Jannis. Mit hängendem Kopf stand er vor unserer Tür, den Blick nicht mehr hebend. Ich schob ihn erst mal wortlos ins Haus. Betty übernahm, als sie den völlig in sich zusammengefallenen Jungen sah. Timo und ich richteten das Gästezimmer her, welches schon fast Jannis Eigen zu nennen war, damit er übernachten konnte.
"Mann, wie ist der denn drauf?" Timo überforderte die heftige Reaktion seines besten Freundes.
"Lass ihm Zeit, Timo. Er denkt, er hätte eine bessere Note schreiben müssen!", mutmaßte ich. "Er schämt sich, weil wir so viel geübt haben und er trotzdem versagt hat, denke ich."
"Aber du reißt doch keinem den Kopf ab!", erwiderte Timo kopfschüttelnd.
Ich nickte, das wusste ich und das wusste Timo, aber Jannis schien andere Reaktionen bei schlechten Noten gewohnt zu
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