Warum ich?: Ohne Ausweg... (German Edition)
Gelegenheit mir von Jannis selbst einen Eindruck, zumindest einen schulischen, zu verschaffen.
Ein ruhiger, vielleicht sogar scheuer, aber sehr aufmerksamer Schüler.
Er neigte nicht zum dazwischen reden, meldete sich aber leider auch nicht besonders viel. Mündlich wäre das ein Problem. In Politik machte ich mir keine Sorgen. Meinem ersten Eindruck zufolge begriff er schnell und konnte sich auch von trockenem Stoff begeistern lassen. Französisch schien nicht seine Welt zu sein. In seinen Unterlagen hatte ich gesehen, dass er eine Fünf bekommen hatte und es sah ganz so aus, als wäre die wirklich zu Recht vergeben worden.
Timo vertrug sich sehr gut mit dem neuen Schüler und bemühte sich, ihn mit seinen Freunden bekannt zu machen.
So kam es, dass ich den ersten Satz meines Sohnes wieder vergaß, oder zumindest in einer Schublade, weit hinten in meinem Gehirn, abgelegt hatte.
Zwei Wochen später fragte Timo, ob er bei Jannis übernachten dürfe.
Betty zog die Stirn kraus. Eigentlich hatten wir nichts dagegen, aber meist kannten wir die Jungs, bei denen Timo übernachtete, etwas genauer.
Jannis hatte uns noch nie besucht.
"Ich weiß nicht Timo. Ich würde Jannis gerne erst einmal etwas kennenlernen. Warum fragst du ihn nicht, ob er stattdessen bei uns übernachten will?"
Bettys Vorschlag konnte ich nur gut heißen.
Zuerst wollte Timo aufbegehren. Wir wären echt spießig und sollten uns nicht so anstellen, aber ein strenger Blick reichte aus, um ihn wieder runter fahren zu lassen.
"Papa, Mama ihr wisst, wie das ist. Manche haben keine Lust ihre Lehrer auch noch am Wochenende zu Gesicht zu bekommen. Die denken, wenn sie sich hier daneben benehmen, bekommen sie ne schlechte Note!", rief er aus.
Leicht verzweifelt wirkte er, aber Betty blieb hart. Entweder so wie sie wollte, oder eben gar nicht. Und ich hütete mich, etwas anderes zu sagen. Einigkeit in der Erziehung demonstrieren, auch wenn man anderer Meinung war, machte großen Sinn.
So kam es, dass Timo klein beigab und Jannis fragen wollte, ob er stattdessen bei uns übernachten wollte.
Ich sah die beiden diskutieren. Timo gestikulierte und Jannis schien wenig erbaut, nickte dann aber und Timo klopfte ihm auf die Schulter und lachte.
Also schien alles klar zu sein. Als ich in der zweiten großen Pause Hofaufsicht hatte, erzählte mir Timo freudestrahlend, dass Jannis am späten Nachmittag vorbei kommen würde.
Ob er denn gar nicht seine Eltern fragen müsste, wollte ich wissen.
Daraufhin wurde Timo etwas verlegen und auch rot. "Paps, die sind gar nicht da. Sind auf Geschäftsreise, das sind sie häufig."
Daher wehte also der Wind. Die beiden hatten die sturmfreie Bude bei Jannis nutzen wollen. Ich schaute streng und lachte in mich hinein.
Schließlich lag meine eigene Jugend noch nicht all zu lange hinter mir.
Der Mai hatte endlich beschlossen, warm und sonnig zu werden. Perfektes Wetter, um am Wochenende meine Frau zu entlasten und zu grillen.
Gleichzeitig wäre das eine hervorragende Möglichkeit, Jannis zwanglos näher kennenzulernen. Ich setzte also Mutter und Sohn am Freitag, nach der Schule, zu Hause ab, holte Jacky bei meiner Mutter ab und fuhr mit ihr zusammen Grillfleisch aussuchen.
Betty freute sich über meine Idee und den Nachmittag verbrachten wir damit, die Terrasse sauber zu machen. Gartenstühle raus, Auflagen suchen usw. Als Jannis am späten Nachmittag eintraf, waren wir gerade fertig. Ich trocknete mir die nassen Hände ab und begrüßte den schüchtern wirkenden Jungen mit festem Händedruck.
"Hallo Jannis, schön, dass du da bist. Vergiss bitte, dass ich dein Lehrer bin. Jetzt bin ich nur Timos Vater, ok?", versuchte ich die Stimmung aufzulockern. Jannis lächelte verlegen und schüttelte mir die Hand. Timo zog ihn aber sofort mit sich und zusammen verschwanden sie lachend nach oben in Timos Zimmer.
Irgendwie schien Jannis zu frieren. Obwohl an diesem Tag die Sonne wie im Hochsommer schien hatte er ein Langarmshirt an dessen Ärmel bis auf den Handrücken reichten. Eigentlich fiel mir auf, dass er die Dinger immer trug. Naja, Mode musste nicht immer praktisch sein und darum maß ich dem erst einmal keine Bedeutung bei.
Der Grillabend wurde dann auch ganz nett. Spontan hatten sich noch Freunde von uns eingeladen und nun saßen wir gemütlich draußen. Timo und Jannis fungierten als Grillmeister. Sie sorgten dafür, dass die Steaks und die Würstchen nicht anbrannten. Jannis taute langsam auf und das freute mich, hatte er irgendetwas an sich,
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