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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchester
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Schuldenmachen sehr nützlich, um nicht zu sagen unentbehrlich sein. Ein Beispiel: Sie besitzen ein Unternehmen, das Kuchen herstellt. Sie investieren 100 000 Euro in Ihr Geschäft und in der Folge wirft es einen Gewinn von 10 Prozent ab. Am Jahresende haben Sie also einen Profit von 10 000 Euro gemacht; das heißt, Sie haben Ihr Kapital für sich arbeiten lassen und es hat Ihnen einen Gewinn von 10 Prozent eingebracht: nicht schlecht. Aber jetzt schauen wir uns mal an, was passiert, wenn Sie sich entschließen, Ihr Geschäft zu vergrößern, indem Sie sich Geld leihen. Sie gehen zur Bank, nehmen einen Kredit über 200 000 Euro auf, bei einem Zinssatz von 4 Prozent, und investieren diesen Betrag in Ihr Unternehmen. Jetzt stellen Sie für 30 000 Euro Kuchen her. Da Sie ja weiterhin einen Profit von 10 Prozent erzielen, sind das nun 30 000 Euro Bruttogewinn. Die 4 Prozent Zinsen, die Sie an die Bank zurückzahlen müssen, kosten Sie 8000 Euro. Und siehe da: Durch die Kreditaufnahme haben Sie aus einem ursprünglichen Gewinn von 10 000 Euro einen Gewinn von 22 000 Euro gemacht, eine Steigerung um 120 Prozent, die Sie allein dem segensreichen Wunder des Schuldenmachens zu verdanken haben. Auch dieses Vorgehen wird manchmal mit dem Begriff »Leverage« bezeichnet, was etwas verwirrend sein mag, weil wir dieses Wort ja im vorigen Kapitel herangezogen haben, um das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Verbindlichkeiten zu beschreiben. Aber der zugrunde liegende Gedanke ist der Gleiche: Man verwendetdas Geld anderer Leute, um das eigene Kapital härter für sich arbeiten zu lassen.
    Während der Kreditblase schraubte sich die Größenordnung dieser Art von Leverage oder Hebelwirkung in erstaunliche Höhen. Umfang und Bedeutunozeund Bedg solcher Konzepte wie Schulden und Hebelwirkung gehören zu den Dingen, die für die Insider des Finanzgeschäfts selbstverständlich, aber für Laien nur sehr schwer zu begreifen sind. Wenn man sich mit solchen Insidern über Schulden unterhält, kommt man sich manchmal vor wie die Unschuld vom Lande. Während eines Gesprächs mit meinem Freund Tony habe ich mich einmal verwundert darüber geäußert, dass ein gewisser Unternehmer in das Restaurant- und Clubbusiness investiert hatte, wo doch diese Branche nicht gerade berühmt für ihre üppigen Gewinne ist. Seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: »Der Geldfluss ist sicherlich gut und er muss nur einen Finanzhebel ansetzen. Nehmen wir an, die Restaurants machen eine Million Verlust im Jahr, aber es kommen 10 Millionen an Bargeld herein. Dann versieht er das Ganze einfach mit einer 20-fachen Leverage und plötzlich hat er 200 Millionen zur Verfügung und die eine Million Verlust im Jahr kratzt ihn überhaupt nicht mehr.« Natürlich sollten wir Normalbürger so etwas lieber nicht zu Hause ausprobieren … Obwohl, das Zuhause wäre vielleicht genau der richtige Ort dafür. Die am weitesten verbreitete Form von großangelegter Hebelwirkung, die es im Leben eines Menschen gibt, ist eine Hypothek. Man setzt an das eigene Einkommen einen Finanzhebel mit drei- oder vierfachem Faktor an, um eine einzige, große und hoch illiquide Langzeitinvestition in Form einer Immobilie zu tätigen. Es scheint da draußen eine Art Verschwörung zu geben, die uns daran hindern will, unsere Hypotheken in einem so harschen und unverblümten Licht zu sehen. Jede Werbung für Aktienanlagen ist verpflichtet, die Leute davor zu warnen, dass der Wert von Aktien nicht nur steigen, sondern auch fallen kann, aber im Zusammenhang mit der größten und am wenigsten liquiden Form von Investition, die wir je tätigenwerden, gibt es keinerlei derartige Mahnungen. Stattdessen kommen die Mahnungen in Gestalt von brutalen Realitätseinbrüchen, so wie während der gegenwärtigen Wirtschaftsflaute.
    Staatsschulden sind etwas vollkommen anderes als Unternehmensschulden. Sie ähneln eher einer privaten Verschuldung, denn auch hier wird ein Kredit auf das zukünftige Einkommen aufgenommen, um in der Gegenwart Geld zur Verfügung zu haben. Um das tun zu können, müssen die Regierungen Anleihen ausgeben, genauso wie ein Unternehmen das tun würde. Die britische Regierung verkaufte im Jahr 2009 für 225 Milliarden Pfund Anleihen, um für ihre laufenden Kosten genug Geld aufzubringen. Das ist eine beängstigend hohe Zahl, aber der Anleihenmarkt, auch Bondmarkt oder Rentenmarkt genannt, ist ebenfalls beängstigend groß, ein riesiger, geradezu gigantischer Teil der

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