Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
die Einnahmen zu tauschen. Die Geschäfte selbst wechseln nicht den Besitzer, wodurch der Tauschhandel – also der »Swap« – »synthetisch« wird, wie man in der Bankersprache sagt. Ein anderes Beispiel: Ihre Hypothek hat noch eine Laufzeit von fünf Jahren und einen festen Zinssatz. Darüber ärgern Sie sich mächtig, weil Sie glauben, dass die Zinsen fallen werden und Sie deshalb mehr bezahlen müssen, als Sie bräuchten. Sie jammern darüber in Gegenwart Ihres Nachbarn, aber statt Sie zu bedauern, fängt er an, sich über seine eigene Hypothek mit variablem Zinssatz zu beschweren, die, wie er sicher zu wissen glaubt, im Begriff ist, wesentlich teuer zu werden, denn er denkt im Gegensatz zu Ihnen, dass die Zinsen jeden Moment steigen werden. Aha! Sie rufen beide plötzlich: Heureka!, warum tauschen wir nicht einfach und zahlen die Hypothek des Anderen ab? Auf diese Weise bekommen Sie beide die von Ihnen gewünschte Zinszahlungsvariante, ohne jedoch etwas so Kompliziertes wie einen Hausverkauf oder eine Refinanzierung Ihrer Hypothek auf sich nehmen zu müssen. Auch das wäre ein »synthetischer« Handel, denn die zugrunde liegenden Vermögenswerte – die Häuser – haben den Besitzer nicht gewechselt.
Im Unternehmensbereich wurden Swaps zum ersten Mal im Jahr 1981 eingesetzt. Der allererste Swap fand statt, als die Firma IBM überschüssige Schweizer Franken und Deutsche Mark gegen Dollar aus dem Bestand der Weltbank tauschte. Die beiden Unternehmen übertrugen einander sowohl die Einnahmen aus ihren Anleihen als auch die Verbindlichkeiten gegenüber ihren Anleihegläubigern, ohne jedoch die Anleihen selbst zu übertragen. Sie wollten ihre jeweiligen Währungsrisiken eindämmen und ihren Bestand an anderen Währungenerhöhen und zogen es vor, dieses Ziel durch einen Tausch zu erreichen. Das war ihnen lieber, als die Kosten und Risiken auf sich zu nehmen, die eine Emission neuer Schuldverschreibungen und erneute Währungsinvestitionen mit sich gebracht hätten.
An dieser Stelle sei ein Wort über Anleihen – oder Bonds – gesagt. In der Businesswelt ist jedes Unternehmen regelmäßig gezwungen, Geld aufzunehmen. Man muss neue Fabriken bauen oder will sich andere Märkte erschließen oder eine aggretzer eine ssive neue Marketingstrategie lancieren oder einen Konkurrenten schlucken oder was sonst gerade anliegt: Aus dem einen oder anderen Grund muss jedes Unternehmen irgendwann Geld aufnehmen. Es gibt drei grundlegende Methoden, um das zu tun. Die erste Methode wäre, bei einer Bank Geld zu leihen. Die zweite Methode besteht darin, einen Teil des Eigenkapitals zu veräußern – oder einfacher gesagt, Aktien zu verkaufen – wie in dem Beispiel im vorigen Kapitel, als die XY-GmbH einen zehnprozentigen Anteil ihrer selbst verkaufte. Manche Leute finden es nicht ganz leicht, sich gedanklich daran zu gewöhnen. Tatsächlich sitzt zurzeit einer meiner früheren Arbeitgeber, Conrad Black, der ehemalige Eigentümer des Telegraph , in Florida im Gefängnis, weil er genau dieses Konzept nicht ganz verstanden zu haben scheint. Er ging mit seiner Firma Hollinger an die Börse und beschwerte sich dann über die vielen Scherereien, die ihm seine neuen Aktionäre machten. Er sagte damals, sie hätten nicht verstanden, was eigentlich der springende Punkt an seiner Entscheidung gewesen sei, an die Börse zu gehen, nämlich dass es ihm »die Möglichkeit verschaffen sollte, auf relativ billigem Wege das Kapital anderer Leute zu benutzen«. Black wurde später vor Gericht gestellt, weil er diese Idee offensichtlich ein wenig zu wörtlich genommen hatte. Aber er irrte sich auch von einem theoretischen und ideologischen Standpunkt aus. Den Leuten, die das Eigenkapital eines Unternehmens besitzen, gehört auch das Unternehmen selbst, und sie sind im Allgemeinen nicht geneigt, das je zu vergessen.
Und das ist auch einer von vielen Gründen, warum Firmen, die Kapital benötigen, die dritte Methode zur Aufnahme von Geld bevorzugen. Diese Methode besteht im Verkauf von Anleihen. Anders gesagt, man leiht sich Geld von den Märkten. Schulden sind ein wesentlicher Aspekt dessen, wie das Kapital arbeitet, und es ist wichtig zu verstehen, dass in der Businesswelt Schulden oft sogar etwas Gutes sind. In diesem Zusammenhang wären Vergleiche mit dem Finanzgebaren einer Privatperson irreführend. Als Privatpersonen versuchen wir – jedenfalls, wenn wir vernünftig sind –, Schulden zu vermeiden. Aber im Geschäftsleben kann das
Weitere Kostenlose Bücher