Warum Machst Du Mich Nicht Gluecklich
forderte Jakob ihr Verständnis, andererseits entzog er ihr aber sein Interesse. Ungleichgewicht! Doch bei Jakob sah es nicht anders aus. Wenn er trotz Agentur stress und Belastung Helle um kurz nach acht anrief, fand er ihre kühle Reaktion unangemessen. Schließlich hatte sie doch allen Grund, sich über seinen Liebesbeweis zu freuen! Er ärgerte sich. Einerseits hatte Helle anscheinend kein Verständnis mehr für seine Arbeitssituation oder schlimmer, es interessierte sie nicht mehr. Und andererseits stellte sie immer mehr Forderungen an ihn. Er möge unbedingt pünktlich anrufen, er solle spontan mit ihr weggehen, er solle seine alte Freundin Anna nicht treffen ... Völlig ungerecht!
Hier wird ein Grundprinzip von Beziehung sehr schön deutlich: Beide sind sich darüber bewus st, dass sie etwas geben und be kommen. Und sie achten genau darauf, ob dieses Geben und Nehmen ausgeglichen ist. Je stärker man da s Gefühl hat, mehr in die Bezie hung zu investieren als der andere, desto weniger ist man bereit, die Beiträge des anderen anzuerkennen und zu schätzen. Stattdessen beginnt ein Kreislauf von Vorwürfen und Forderungen, ausgelöst durch das Gefühl des Zukurzkommens. Und das ist beileibe kein Charakterfehler von Helle und Jakob, sondern es passiert in jeder normalen Beziehung.
Die innere Buchhaltung
Hier also noch einmal in Klartext zwei weitere unerfreuliche Wahr heiten über Beziehungen. Erstens: wenn sie auf Dauer angelegt sind, basieren sie auf austausch anstatt (wie Sie vielleicht romantischerweise denken) auf e inem Sich-Verschwenden und -Ver schenken. Zweitens: dieser austausch wird kontinuierlich überwacht. Ja, auch Sie sind nach einiger Zeit nicht mehr so groß zügig wie am Anfang. Im Gegenteil, Sie registrieren (wie Helle und Jakob) jede Einzahlung und jede Abbuchung. Kleinlich? Nein, ganz normal und menschlich. Das Bedür fnis nach Gerechtigkeit und Kon tenausgleich beeinflusst das Miteinander in jeder Art von Beziehung. Auch wenn die Währungen, in denen gerechnet wird, unterschiedlich sind und zum Beispiel der Einsatz beim Elternabend durch Verständ nis für schlechte Laune ausgeglichen werden kann. Wenn Sie jetzt verblüfft sind und selbst bei gründlichem Nach denken in Ihrer Beziehung keine Spur davon feststellen können, dann liegt das vermutlich daran, dass Ihr inneres Beziehungskonto im Plus und auch schon etwas länger nicht gravierend im Minus gewesen ist. Nur warum lesen Sie dann eigentlich dieses Buch?
Die innere Buchführung ist die Erklärung, wieso aus dem strah lenden Paar im Pferdeschlitten zwei verbitterte Menschen werden konnten, die einander ihre Unzufr iedenheit durch spitze Bemerkun gen und eisiges Schweigen spüren li eßen. Weil jeder das Gefühl hat te, viel zu geben, aber schon lange nicht mehr genug zu bekommen.
Isabella und Robert du hast den Spaß und ich die ganze Arbeit
Auch Robert und Isabella waren enttäuscht und genervt voneinander, als sie in die Beratung kamen. Sie hatten sich im Kunstgeschichte Studium kennengelernt, zeitgleich spannende Praktika gemacht und sich gegenseitig interessiert bei der Schilderung ihrer Spezialgebiete zugehört. Für beide war das eine großartige Zeit mit Anregungen, Austausch und viel Bestätigung auf der Praktikumsstelle und auch in der Beziehung. Dann kamen die Kinder. Isabella blieb zu Hause, zunächst nur für sechs Monate. Doch als das zweite Kind kam und alles nicht so einfach war mit der Tagesmutter, dauerte die Familienpause länger als ursprünglich geplant. Jetzt war sie schon zwei Jahre nicht mehr berufstätig, während er inzwischen künstlerischer Leiter und Kurator bei einer renommierten Galerie war. Er liebte diese anstrengende und herausfordernde Tätigkeit. Und er kam schon länger nicht mehr gern nach Hause, weil er wusste, dass dort nur wieder Vorwürfe auf ihn warteten: warum er so spät komme, warum er nicht angerufen habe und warum er wieder vergessen habe, mit dem Sohn einen Termin beim Arzt auszumachen. In der Beratung sagte Isabella wütend und unter Tränen: »Früher waren wir Kollegen und Liebende, je tzt bin ich nur noch seine Haus hälterin. Er hat Spaß und Erfolg und ich die ganze Arbeit!« Worauf e r sich sofort rechtfertigte, dass er doch den Druck habe, das Geld für die Familie zu verdienen, von dem sie schließlich auch nicht schlecht leben würde. Und mit ihrer Arbeitslast könne es angesichts einer Tagesmutter, drei Babysittern und einer Putzfrau auch nicht weit her
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