Warum Machst Du Mich Nicht Gluecklich
überzeugt davon, im Recht zu sein. Ist es in einer Beziehung nicht selbstverständlich, dass auch der andere sein Interesse zeigt und sich um gemei nsame Zeit und gemeinsame Unter nehmungen bemüht? Konnte man nicht erwarten, dass der andere einen nicht jedes Mal mit Vorwürfen überschüttete oder Unmögliches verlangte? An diesem Punkt der Beratung passierte etwas Interessantes: »Eigentlich ist das, was Sie wollen, ja gar nicht so verschieden«, sagte ich nachdenklich. »Beide wünschen sich, dass die gemein samen Momente, wenn Sie telefonieren oder sich sehen, entspannt sind. Dass Sie sich dabei miteinander wohlfühlen. Und Sie beide möchten viel mehr spüren, dass Sie dem anderen wichtig sind und dieser gern mit Ihnen zusammen ist weil Sie grundsätzlich okay und liebenswert sind.« Helle und Jakob hören aufmerksam zu und nicken. Ich fahre fort: »Und beide sind der Meinung, dass der andere seinen Beitrag dafür nicht leistet.« Sie nicken wieder. »Als ob Sie ein Recht darauf hätten, und es vom anderen einfordern. Dadurch wird dieser obwohl er das Gleiche will wie Sie zu Ihrem Gegner.« Beide schauen sich nachdenklich an und Helle kommen die Tränen. »Genau das tut mir so weh, dass ich den Eindruck habe, du bist mein Gegner. Am Anfang hatte ich das Gefühl, wir gehören zusammen und sind Verbündete gegen die Widrigkeiten des Alltags. Du hast zu mir gestanden. Es war so leicht, zu sagen, es ist okay, wenn wir uns erst übermorgen sehen. Weil ich wusste, wir gehören zusammen. Jetzt fühle ich mich oft so einsam. Und dann fange ich an, an dir herum zunörgeln und dir hinterherzutelefonieren ...« In diesem Moment spürte Helle ihre Abhängigkeit deutlich. Wenn sie Jakob länger nicht gesehen hat, muss sie ihren Liebesakku wieder aufladen, zum Beispiel durch schöne, zärtliche Momente mit ihm. Dann wartet sie auf seinen Anruf und es tut weh, wenn der nicht kommt. In solchen Momenten fühlt sie sich kle in und bedürftig, ab hängig davon, ob Jakob anruft oder nicht. Schon wird sie wütend, und das unangenehme Gefühl der nicht erfüllten Sehnsucht weicht dem gerechten Zorn: Wie kommt er dazu, Helle so zu behandeln? Für wen hält er sich, dass er sie warten lä sst? Jakob ein Desinteresse vor zuwerfen ist deutlich leichter als zu offenbaren, dass Helle sich nach seinem Interesse sehnt. Aber leide r lässt sich liebevolle Aufmerk samkeit nicht einklagen. Das Einzige, was Helle bekommt, ist Streit. Das ist zwar auch eine Art Zuwendung. Aber keine, die ihr gibt, was sie wirklich braucht: nämlich die Gewissheit, dass sie Jakob genauso wichtig ist wie er ihr. Für Kinder und Jugendliche erwe ist sich diese Strategie den El tern oder anderen Erwachsenen gegenüber als durchaus wirkungs voll: »Hansi hat aber mehr Schokolade bekommen als ich!« Die C hance ist gar nicht schlecht, dass die Eltern für Gerechtigkeit sorgen und Hansi seine Schokolade mit mir teilen muss. Oder: »Alle anderen in meiner Klasse dürfen bis Mitternacht bleiben, nur ich nicht!« Damit kann man durchaus eine Stunde länger auf der Party rausschlagen. Doch selbst damals hatte diese Strategie ihre Tücken und führte nicht immer zum Erfolg. Was nützt mir S chokolade, wenn ich mich eigent lich danach sehne, für die Drei in Mathe genauso viel Anerkennung zu bekommen wie Hansi für seinen ersten Preis im Vorlesewettbewerb? Oder wenn die Stunde länger auf der Party nur durch die Erschöpfung der Eltern nach dreistündigem Toben und Schreien zu bekommen war und in diesem Zusammenhang viele böse und verletzende Worte gefallen sind, die ich doch eigentlich gar nicht so meinte? Wie wir sehen, waren diese S trategien bereits damals nur be grenzt erfolgreich. Und in einer erwachsenen Liebesbeziehung sind sie sogar riskant. Denn wenn Sie das Gefühl von Abhängigkeit in der Liebe abwehren, indem Sie »rechtmäßige« Forderungen stellen, können Sie als Reaktion ent w eder mit Kampf oder Unterwerfung oder mit Sabotage rechnen. Nur eines erreichen Sie ziemlich sicher nicht: dass der andere Ihnen gern und aus ganzem Herzen gibt, was Sie sich wünschen.
Der Erfolg: Streit
H alten wir fest: Abhängigkeit ist ein wenig angenehmes Gefühl. Wer mag sich schon so sehr in die Hand und Ents cheidung eines ande ren geben? Wer erträgt schon die V erletzungsgefahr, die die Ableh nung des eigenen Wunsches mit sich bringt? Das fühlt sich doch gleich viel besser an, wenn ich nur fordere, was mir zusteht. Unerhört nur, dass der andere dagegen
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