Warum Maenner mauern
aus.
Wenn es darum geht, die biologischen Wurzeln der passiven Aggression aufzuspüren, stehen die Wissenschaftler vor einer Schwierigkeit: Verhalten ist so komplex, dass es sich nicht auf einfache Moleküle, Hormone oder Systeme von Gehirnbotensubstanzen zurückführen lässt.
Und dann ist da die »Umwelt« – gesellschaftlicher Einfluss von Schule, Mode, Freunden, Wirtschaft, Fernsehen und Werbung; all das und vieles andere trägt dazu bei, eine Persönlichkeit zu formen. Die Systeme von Gesetzen und Gesellschaftsordnungen dienen dazu, den Einzelnen mit seinem Umfeld in Einklang zu bringen: Sie schaffen einen kulturellen und zivilisatorischen Zusammenhang, der das Ziel hat, diese Gesellschaft zu erhalten und zu schützen.
Durch die »Erziehung« findet der Mensch seinen Platz in der Gesellschaft. Die Psychologen erforschen, welche Sozialstrukturen passive Aggression erzeugen, ob sie beispielsweise in einem Land wie Japan stärker ausgeprägt ist, wo mehr Anpassung und Respekt vor Autoritäten verlangt wird, oder aber in den USA mit den vielen Eigenbrötlern und Rebellen. Es gibt darauf bisher keine eindeutige Antwort. Den größten Einfluss übt die »Umwelt« aber in Form der elterlichen Fürsorge aus, und deshalb konzentrieren sich die Psychologen auf die Kindheitsentwicklung.
»Das Kind ist der Vater des Mannes« – das bedeutet, dass die ersten Erfahrungen eines Menschen, der Zusammenhang, in dem sie sich abspielen, und die Interpretation, die man ihnen zumisst, eine vernünftige Grundlage für die Persönlichkeitsentwicklung darstellen. Für den nicht greifbaren passiv-aggressiven Mann ist das allerdings ein wackeliges Fundament. Er ist in seiner Vergangenheit hängen geblieben, und sein Gefühlsleben ist so zerbrechlich, dass er sich durch Gleichgültigkeit gegenüber anderen und Selbsttäuschung vor der Welt schützen muss. Betrachtet man seine Kindheitsgeschichte ein wenig genauer, dann erkennt man, wo diese Schranken vermutlich zum ersten Mal errichtet wurden.
Wie man passiv-aggressiv wird: ein Überblick
Lebensgeschichten, so sagt man, ergeben sich aus einem einzigen traumatischen Erlebnis – wenn jemand in frühester Jugend von einem Elternteil verlassen wird, durch eine plötzliche Gewalttat, indem man die Hand eines Helden berührt, durch öffentliche Demütigung oder einen Augenblick der Klarheit, indem man seine Zukunft erkennt! Es ist immer verlockend, im eigenen Leben nach einem einzelnen Ereignis zu suchen, in dem sich das Wesentliche dessen konzentriert, was man ist, wer man ist und warum man sich so und nicht anders verhält. Als Ursache passiv-aggressiven Verhaltens kann man aber nur selten einen einzelnen Vorgang herausgreifen. Was man über die Kindheit eines passiv-aggressiven Mannes weiß, stammt meist aus seinen eigenen Erzählungen – kaum einmal kann man eingehend mit seinen Eltern, Geschwistern, Lehrern oder Kameraden sprechen und so Bestätigung oder eine andere Sichtweise erfahren. Da »die Tatsachen« ausschließlich seiner eigenen Sichtweise entspringen, betrachten die meisten Psychologen eine solche Lebensgeschichte als höchst anfällig für Verzerrungen.
Das ist nichts Ungewöhnliches – jeder von uns nimmt die Welt auf einzigartige Weise wahr. Angenommen zwei Männer gewinnen jeweils tausend Euro in einer Lotterie: Der eine freut sich darüber und überlegt, was er mit dem Geld anfängt, der andere ärgert sich über die zusätzlichen Steuern und darüber, wie viel weniger er dadurch zur Bank bringen kann – er fühlt sich betrogen. Die Situation ist die gleiche, aber die Interpretation , mit der wir ihr begegnen, ist stets unterschiedlich.
In der Psychotherapie betrachtet man die historische Wirklichkeit der Kindheit, also die Genauigkeit der erinnerten Einzelheiten, nicht als das Wichtigste. Man konzentriert sich vielmehr darauf, wie der Patient die Dinge sieht, also auf die gefühlsmäßige Bedeutung der Erinnerungen. Diese so genannte »psychische Realität« ist das, was Denken und Verhalten beeinflusst.
Auch ich bin der Meinung, dass man unterscheiden muss zwischen der Art, wie ein Kind das Verhalten der Eltern wahrnimmt , und dem, was diese wirklich tun. Wenn ein passiv-aggressiver Mann sich bedürftig und dominiert fühlt, bedeutet das nicht, dass seine Eltern ihm tatsächlich Zuwendung und Bestätigung vorenthalten haben. Sie müssen auch nicht überheblich gewesen sein. Es ist leicht, die Eltern zu beschuldigen, aber sie sind nicht allein verantwortlich
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