Warum Maenner mauern
auch dann einen Mangel befürchtet, wenn es keinen gibt. Nichts ist ihm genug, und Enttäuschungen bestätigen seine Sichtweise. Jedes Versehen von Ihnen ist Anlass für Beschuldigungen wie »Du tust nie etwas für mich… niemand tut etwas für mich«.
Möglicherweise schafft er sogar Situationen, die andere geradezu dazu auffordern , ihm etwas zu entziehen oder ihn zurückzuweisen, und dann ist wieder einmal bewiesen, dass andere ihm nichts geben. Das meint man mit dem Begriff »sich selbst erfüllende Prophezeiung« ( self-fulfilling prophecy ). Auf diese Weise bilden sich im Laufe der Zeit Verhaltensstrukturen heraus, die zur zweiten Natur werden.
Um sein Gefühl, dass man ihm etwas vorenthält, zu kompensieren, glaubt der passiv-aggressive Mann auch, er habe das Recht auf eine Sonderbehandlung. In gewisser Weise hat er das Gefühl, seine früheren Verletzungen rechtfertigten heute seine Selbstsucht Ihnen gegenüber.
Auffällig an der Lebensgeschichte passiv-aggressiver Männer sind die Erzählungen von Halsstarrigkeit und mangelnder Kooperation in sehr jungen Jahren. Die Eltern haben klare Vorstellungen, wie ein Kind sich benehmen sollte, und mit einem raffinierten System von Strafen und Belohnungen bringen sie es dazu, diese Erwartungen zu erfüllen. Der junge passiv-aggressive Mann fühlt sich durch solche Erwartungen überfordert; er erlebt seine Eltern entweder als zu beherrschend oder als zu schnell strafend.
Einem Kind gegenüber haben die Eltern unumschränkte Macht, und die ist für den passiv-aggressiven Mann eine unerträgliche Last. Nachzugeben (»Sei ein guter Junge und…«) ist ein Schwächebeweis, und so mancher passiv-aggressive Mann beginnt sein feindseliges Verhalten – besonders gegenüber Autoritäten –, indem er sich weigert, den Wünschen seiner Eltern nachzukommen. Ungefähr zur gleichen Zeit werden auch andere Persönlichkeitsmerkmale (wie Halsstarrigkeit) entwickelt und auf ihre Wirksamkeit getestet. Solche Eigenschaften sind die Vorläufer raffinierterer bewusster und unbewusster Muster, die passiv-aggressive Männer fast immer in ihre Beziehungen mitbringen: Sie entziehen sich, wollen allzu sehr bestimmen und manipulieren, sind nicht zu fassen und selbstzerstörerisch.
Wenn ein heranwachsendes Kind Körperkraft und Koordinationsfähigkeit gewinnt, wird es mobiler: Es kann sich allein frei und sicher bewegen, und das gibt ihm das Gefühl, seine Umwelt zu beherrschen. Wenn ein kleines Kind ohne Hilfe gehen kann, gewinnt es eine gewisse Kontrolle über seine Ziele. Es ist nicht mehr unbedingt auf die Unterstützung der Eltern angewiesen und kann Entschlüsse fassen, mit denen es seinen Körper ausprobiert und den Bereich seiner Neugier erforscht. Es kann ein Zimmer verlassen und andere Räume entdecken, und es kann herausfinden, wie man das zu fassen bekommt, wonach man greift. Wenn sich die Welt einem Jungen öffnet und sich für ihn über seine Fingerspitzen hinaus erweitert, bietet ihm die neue Selbständigkeit viele Möglichkeiten, aber sie beinhaltet auch Gefahren.
In dieser Phase der Kindheitsentwicklung findet eine große emotionale Umstellung statt: die »Trennung« oder »Individuation«. Das Kind beginnt, sich selbst als eigenständig wahrzunehmen und nicht mehr nur als Anhängsel der Mutter, aber es fühlt sich noch nicht ganz als »Ich«. Es ist seiner selbst noch unsicher und schwankt zwischen dem echten Streben nach Selbständigkeit und dem Bedürfnis nach dem ständigen Schutz durch die Eltern. Es wandert für kurze Zeit herum, aber dann vergewissert es sich, dass die Mutter noch dort ist, wo es sie verlassen hat. Diese »Wiederannäherung« bedeutet zweierlei: Das Kind will wissen, ob die Mutter seine Abhängigkeit noch berücksichtigt, und es hat Angst, sich von ihr zu trennen. Trotz seines Freiheitsstrebens braucht es die Rückversicherung von einer vertrauten und verlässlichen Person.
Auch die Eltern werden von Trennungsangst befallen: Sie machen sich Sorgen, weil ihr Sohn aufwächst und sich von ihnen entfernt; ständig schlagen sie sich mit der Frage herum, wie viel Freiheit sie ihm lassen können und wann, wo und wie sie Grenzen setzen und ihn lenken sollen. Mit zu viel Freiheit kann er vielleicht nicht umgehen, ohne sich selbst zu schaden. Ist er zu sehr eingeschränkt, kann er sich nicht die Fähigkeiten aneignen, auf die er als Erwachsener angewiesen sein wird. Zwischen diesen beiden Extremen im Umgang mit der Freiheit steht der passiv-aggressive Mann
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