Warum Maenner mauern
irgendwo in der Mitte, aber seine ungelösten Konflikte und Ängste im Zusammenhang mit der Abhängigkeit sind immer noch akut.
Wenn solche Ängste sich noch nach Jahrzehnten auswirken, können die meisten Männer auf Gesetzmäßigkeiten hinweisen, die sich in ihrer Kindheit entwickelt haben und ihr heutiges Verhalten beeinflussen. Nehmen wir beispielsweise Dan, einen meiner Patienten. Er ist ein erfolgreicher Verkaufsmanager in einer Werbeagentur, engagiert sich in seinem Beruf und ist ein strenger Vorgesetzter, aber mit Frauen kann er keine vertrauensvolle Beziehung aufbauen, auch nicht mit Arlene, seiner Lebensgefährtin. Alle Äußerungen von Leidenschaft oder Nähe, ja sogar überhaupt die meisten seiner Gefühle liegen, wie er es nennt, »eingefangen« in seinem Inneren.
Warum das so ist, wird an einer Kindheitserinnerung deutlich: Seine Mutter band die Bettdecke an der Matratzenunterlage fest, »damit er nicht aus dem Bett fiel«. Genau genommen wurde er in seiner gepolsterten Hülle eingeschnürt wie ein Neugeborenes in seinen Windeln. Seine Mutter setzte diese Gewohnheit fort, bis er fünf Jahre alt war, also weit über das Alter hinaus, in dem man Kinder normalerweise »in die Wiege legt«. Dieses Bild fiel Dan eines Nachmittags unvermittelt ein, und als er sich daran erinnerte, reagierte er körperlich mit Erröten und hektischer Unruhe.
Der Vorfall war faszinierend: Er beantwortet zwar nicht völlig die Frage, warum Dan heute derartige Beziehungen zu Frauen hat, aber er bildet die Grundlage eines Problems, mit dem er sich jetzt noch herumschlägt: Ehe – oder auch nur Nähe mit einer Frau – ist für Dan die endgültige Gefangenschaft . Kein Wunder.
Die andere Seite der Kindheit verkörpert Dans Vater. Er spielte in der aktiven Erziehung nur eine untergeordnete Rolle, denn er war der Ansicht, dass kleine Jungen die Mutter brauchen, heranwachsende Jugendliche aber den Vater. Als Dan ungefähr zwölf oder dreizehn Jahre alt war, entwickelte sich zwischen ihm und seinem Vater jedoch eine Beziehung, die von Distanz und nicht von Nähe geprägt war. Die beiden fühlten sich in der Gegenwart des jeweils anderen unwohl, oder sie ärgerten sich über etwas Unbestimmtes, und damit straften sie die Gefühle Lügen, die sie in Wirklichkeit füreinander empfanden. Es gelang ihnen beiden nicht besonders gut, die Verhältnisse zu verändern, und so ist es bis heute geblieben. Dieser frühe Angriff auf Dans Ich beeinflusst seine Reaktionen auf Frauen noch heute: Situationen, die zu viel Nähe ahnen lassen, erzeugen in ihm ein Gefühl der Gefahr – oder, genauer gesagt, des Gefesseltwerdens. Dan erzählte:
Die Spuren meiner Mutter waren tief in mir eingegraben. Ich wusste, dass nicht alle Frauen so sind wie sie, aber das spielt anscheinend keine Rolle. Ich habe Angst, bei Frauen zu unterliegen.
Nicht jeder passiv-aggressive Mann erlebt solche aufregenden Vorfälle wie Dan. Eines aber haben diese Männer gemeinsam: Als Jungen wurde ihnen ein Unsicherheitsgefühl vermittelt, wenn es darum ging, die Mutter zu verlassen, und als Erwachsene schämen sie sich ihres Wunsches nach Unabhängigkeit. So viel Erfolg Dan im Beruf auch haben mag, in seinem Inneren hat er immer noch ernsthafte Zweifel, ob er fähig ist, in der Welt allein zurechtzukommen. Immer noch hallt in ihm die Stimme seiner Mutter wider, sie erinnert ihn an die Gefahren, die ihn bedrohen, wenn sie nicht auf ihn aufpasst. Und dann ist da sein Vater, der gehorsame Chauffeur, den die Mutter vom Rücksitz aus dirigiert. Seine Devise lautete: Frieden um jeden Preis.
Was geschieht nun? Ein Mann wie Dan kann von sich aus Beziehungen abbrechen, die ihn »einfangen« und ersticken, er kann sich allein befreien, sich mit Frauen treffen, sich dann von ihnen wiederum befreien. Von so viel Freiheit überwältigt wird er wahrscheinlich zu seiner ursprünglichen, »fesselnden«, abhängigen Beziehung zurückkehren. Aber er wird es anders nennen und zum Beispiel sagen: »Ich kriege zurzeit einfach keine neue Frau«, oder »Warum soll man von vorn anfangen, die Frauen sind doch im Prinzip sowieso alle gleich«, oder »Vollkommen ist sowieso keine, also schließe ich einen Kompromiss und gehe wieder zu Brenda zurück«. Es ist, als wolle er ausprobieren, wie weit er gehen kann – nur damit ihm klar wird, dass es nicht besonders weit ist.
Im Zusammenhang mit seiner Mutter gibt es oft tief greifende Konflikte: Sosehr er sie vielleicht auch liebt, er fürchtet sie und
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