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Warum Maenner mauern

Warum Maenner mauern

Titel: Warum Maenner mauern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Wetzler
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Mann nicht. Was ist, wenn er ihm die Säge nicht leiht, weil er denkt, der andere könne mit Motorwerkzeugen nicht umgehen, oder, was noch schlimmer wäre, er würde sie nicht zurückgeben? Was für ein Nachbar, denkt unser Mann, ist das wohl?
    Er steigert sich schließlich in wilde Empörung hinein und ist sicher, dass er abgewiesen wird. Als er an der Tür des Nachbarn klingelt und dieser ihm öffnet, schreit er ihn an: »Behalten Sie doch Ihre blöde Säge!«
    Diese Geschichte verdeutlicht etwas, was jeder von uns schon erlebt hat: Wir weisen Menschen, Gefälligkeiten oder Hilfe von vornherein zurück, weil wir nicht glauben, dass unsere Bitte in einen einfachen (oder großzügigen) Kompromiss mündet, ohne dass daraus Verpflichtungen entstehen. Besonders aufschlussreich ist der Witz, wenn man passiv-aggressives Verhalten verstehen will: Der passiv-aggressive Mann stellt sich selbst ein Bein, indem er aus einem einfachen Bedürfnis eine Streitfrage macht. Die besondere Denkweise dieses Mannes und die Ausbrüche, die sich daraus ergeben, kreisen um einen der Hauptkonflikte in seinem Leben: Er ist nicht verärgert oder zu stolz, um einen Fremden um einen Gefallen zu bitten, sondern abhängig .
    Eine fehlgeleitete und emotional aufgeladene Abhängigkeit ist der Motor der passiven Seite der Persönlichkeit des passiv-aggressiven Mannes. Er fürchtet sich davor, abhängig zu sein, und er ist sich nicht im Klaren, wie viel Abhängigkeit zu viel oder zu wenig ist. Und so oder so, er ärgert sich darüber.
    Der passiv-aggressive Mann phantasiert vielleicht davon, der heldenhafte Eroberer zu sein oder sogar der Verantwortliche für alles, aber gleichzeitig schlägt er sich mit Gefühlen von Bedürftigkeit und Hilflosigkeit herum. In welcher Klemme ist er eigentlich, wenn seine passive Seite die Oberhand gewinnt?
    Abhängigkeit, näher betrachtet
    Jeder Mensch ist auf andere angewiesen, um zu überleben (auf Arbeitgeber, Vermieter, Vermögensverwalter, die Freundlichkeit von Fremden usw.) und um seine emotionalen Bedürfnisse zu befriedigen (durch Eltern, Geschwister, Geliebte, Ehepartner, Kinder, Freunde, Kollegen).
    Abhängigkeit ist ein Grundelement der menschlichen Existenz. Der Mensch macht von Natur aus eine längere Abhängigkeitsphase durch als alle anderen Lebewesen. Eine zweijährige Hauskatze, die in der Wildnis ausgesetzt wird, besitzt natürlichen Instinkt, aber ein zweijähriges Kind kann nur in sehr begrenztem Umfang für sich selbst sorgen.
    Das Gehirn des Menschen kann bei der Geburt kaum mehr als die grundlegenden Überlebensfunktionen steuern, und deshalb dauert es eine ganze Weile, bis es sich entwickelt hat und alle seine Möglichkeiten entfaltet. So lange sind wir abhängig von Bezugspersonen wie Mutter und Vater. Manchmal dauert die Abhängigkeit noch länger. Nehmen wir beispielsweise Cliff Caven aus der Fernsehserie »Cheers«, der seit sechsunddreißig Jahren an seiner Mutter hängt und auch noch stolz darauf ist.
    Im vorangegangenen Kapitel war von der Individuation die Rede, jenem Stadium in der Entwicklung eines Kindes, wo es sich sicher ist, dass sich seine Mutter noch dort befindet, wo es sie verlassen hat, selbst wenn es außer Sicht ist. In dieser Phase lernt das Kind, dass die Mutter keine Erweiterung seines Körpers ist, sondern ein eigenständiges Individuum. Wenn ein Kind diesen grundlegenden Unterschied zwischen »ich« und »nicht ich« begriffen hat, kann es die Fähigkeit entwickeln, für sich selbst zu sorgen.
    In welchem Ausmaß ein Erwachsener von Mutter, Vater, älteren Geschwistern, Kindermädchen oder anderen Bezugspersonen abhängig ist, hängt davon ab, wie erfolgreich er die Spannungen und Konflikte im Zusammenhang mit Trennung und Individuation bewältigt hat. Ein passiv-aggressiver Mann ist in seinen Trennungskonflikten hängen geblieben, und die Abhängigkeitsprobleme ziehen sich durch sein ganzes Leben. Er empfindet mit vier und mit vierzig das Gleiche: Furcht und Unsicherheit, wenn er nicht ständig Kontakt zu jemandem hat, der ihm wichtig ist. In seinem Geist entzünden sich innere Zwiegespräche, die ihn zur Weißglut bringen, bevor er sich wieder beruhigt; sie machen Beziehungen zu einer Quelle ständiger Angst. (»Karen ist großartig… wirklich großartig. Aber sie ist dauernd unterwegs. Wo ist sie? Warum beantwortet sie meine Anrufe nicht? Wer war der Kerl, den sie bei der Arbeit kennen gelernt hat? Der Anwalt. Nein, der nicht. Überhaupt, ist doch egal. Ich ruf

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