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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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Königs darstellten. Vor allem wurde darin festgelegt, dass der König die Barone in Fragen der Steuererhöhung konsultieren musste. Am strittigsten war Artikel 61, in dem es hieß, »dass sie 25 Barone des Königreichs wählen sollen, welche mit all ihrer Macht dafür Sorge tragen sollen, den Frieden und die Freiheiten, welche wir ihnen zugestanden und durch diesen unseren Freibrief bestätigt haben, zu bewahren und beobachten zu lassen«. In erster Linie hatten die Barone dadurch einen Rat geschaffen, der darauf achtete, dass der König die Prinzipien der Carta umsetzte. Wenn er es nicht tat, hatten die fünfundzwanzig Barone das Recht, die »Burgen, Ländereien und Besitzungen« des Monarchen zu beschlagnahmen, »bis das Unrecht entsprechend ihrem Urteil abgestellt ist«. König Johann gefiel die Magna Carta natürlich nicht, und sobald die Barone abgereist waren, ließ er sie vom Papst annullieren. Aber sowohl die politische Macht der Barone als auch der Einfluss der Magna Carta blieben bestehen. England hatte den ersten zögerlichen Schritt zum Pluralismus getan.
    Die Konflikte um politische Institutionen setzten sich fort, und die Macht der Monarchie wurde 1265 durch das erste gewählte Parlament weiter eingeengt. Anders als in der Plebejerversammlung in Rom oder in den heutigen gewählten Legislativen waren seine Mitglieder ursprünglich adlige Grundherren. Auch später bestand das Parlament aus Rittern und den reichsten Aristokraten der Nation. Trotzdem entwickelte es zwei wesentliche Merkmale: Erstens repräsentierte es nicht nur die eng mit dem König verbündete Oberschicht, sondern auch ein breites Spektrum an Interessengruppen, darunter den Kleinadel, der in Handel und Industrie tätig war, sowie später die »Gentry«, eine neue Schicht sozial aufstrebender Bauern. Mithin stärkte das Parlament eine recht breite Gesellschaftsschicht, jedenfalls nach den Maßstäben der damaligen Zeit. Zweitens – und hauptsächlich infolge dieser Tatsache – widersetzten sich viele Parlamentsmitglieder unablässig den Versuchen der Monarchie, ihre Macht zu vergrößern. Sie sollten zu einer Stütze für diejenigen werden, die im Englischen Bürgerkrieg und dann in der Glorreichen Revolution gegen das Königtum kämpften.
    Trotz der Magna Carta und des ersten gewählten Parlaments ging der politische Konflikt um die Macht der Monarchie und die Thronfolge weiter. Diese innerelitäre Auseinandersetzung endete im Rosenkrieg, einem langen Zweikampf zwischen den Häusern Lancaster und York, die beide über Thronanwärter verfügten. Es siegte das Haus Lancaster, dessen Vertreter Henry Tudor 1485 als Heinrich VII. gekrönt wurde.
    Außerdem liefen zwei andere miteinander verbundene Prozesse ab. Der erste war die um sich greifende politische Zentralisierung, welche die Tudors in Gang setzten. Nach 1485 entwaffnete Heinrich VII. die Aristokratie, die ihren militärischen Charakter verlor, und vergrößerte damit die Macht des Zentralstaats massiv. Sein Sohn, Heinrich VIII., leitete durch seinen wichtigsten Vertrauten, Thomas Cromwell, eine Evolution im Regierungswesen ein. In den 1530er Jahren legte Cromwell die Grundlagen für einen bürokratischen Staat. Die Regierung war fortan nicht mehr nur der Privathaushalt des Königs, sondern setzte sich aus einer Reihe separater, dauerhafter Institutionen zusammen. Hinzu kamen der Bruch Heinrichs VIII. mit der katholischen Kirche und die Auflösung der Klöster, in deren Folge er den gesamten Kirchenbesitz beschlagnahmte. Die Tatsache, dass die Macht der Kirche gebrochen wurde, trug zur Zentralisierung des Staates bei. Zum ersten Mal bestand die Möglichkeit zur Schaffung inklusiver politischer Institutionen.
    Der von Heinrich VII. und Heinrich VIII. eingeleitete Prozess hatte nicht nur zur Folge, dass die staatlichen Institutionen zentralisiert wurden, sondern er verstärkte auch die Forderung nach einer breiteren politischen Repräsentation. Die politische Zentralisierung kann zu einer Form des Absolutismus führen, da sie den König und seine Anhänger in die Lage versetzt, andere mächtige Gruppen der Gesellschaft auszuschalten. Dies ist einer der Gründe dafür, dass stets eine Opposition gegen die staatliche Zentralisierung aufkommt, wie wir im dritten Kapitel dargelegt haben. Andererseits kann die Zentralisierung staatlicher Institutionen auch das Verlangen nach einer frühen Form des Pluralismus verstärken, was im England der Tudors der Fall war. Wenn die Barone

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