Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Autodefensas Unidas de Colombia (AUC – Vereinigte Selbstverteidigungsgruppen von Kolumbien) zu gründen. Die AUC besetzten große Gebiete, besonders im heißen Land in den Departamentos Córdoba, Sucre, Magdalena und César. Um 2001 verfügten die AUC Schätzungen zufolge über rund 30000 bewaffnete Männer, die in verschiedene Blocks untergliedert waren. In Córdoba stand Salvatore Mancuso an der Spitze des paramilitärischen Bloque Catatumbo.
Als die Macht der AUC wuchs, trafen sie die strategische Entscheidung, sich politisch zu betätigen. Die Paramilitärs und die Politiker umwarben einander. Mehrere AUC-Führer organisierten ein Treffen mit prominenten Politikern in Santa Fé de Ralito in Córdoba. Ein Abkommen, das die »Neugründung des Landes« vorsah, wurde von maßgeblichen AUC-Mitgliedern wie »Jorge 40« (Spitzname von Rodrigo Tóvar Pupo), Adolfo Paz ( nom de guerre von Diego Fernando »Don Berna« Murillo) und Diego Vecina (wirklicher Name: Edwar Cobo Téllez) sowie von Politikern wie den Senatoren William Montes und Miguel de la Espriella unterzeichnet. Mittlerweile hatten die AUC in großen Teilen Kolumbiens das Heft in der Hand, weshalb sie mühelos bestimmen konnten, wer im Jahr 2002 in den Kongress und in den Senat gewählt wurde. Beispielsweise arrangierte der Paramilitärführer Cadena (»Kette«) die Wahl in der Gemeinde San Onofre im Departamento Sucre. Ein Augenzeuge schilderte, was geschah:
Die von Cadena ausgesandten Lastwagen fuhren durch die Viertel, corregimientos und Landbezirke von San Onofre, um Menschen abzuholen. Laut einigen Bewohnern … wurden Hunderte von Bauern für die Wahl des Jahres 2002 zum corregimiento Plan Parejo gebracht, damit sie sich die Gesichter der Kandidaten, für die sie bei der Parlamentswahl stimmen sollten, einprägen konnten: Jairo Merlano für den Senat und Muriel Benito Rebollo für den Kongress.
Cadena legte den Zettel mit den Namen der Ratsmitglieder in einen Beutel, zog zwei heraus und sagte, er werde diese und beliebige andere Personen töten, falls Muriel nicht gewann.
Die Drohung scheint wirksam gewesen zu sein: Jeder der beiden Kandidaten erhielt 40000 Stimmen in ganz Sucre. Es ist kein Wunder, dass der Bürgermeister von San Onofre den Pakt von Santa Fé de Ralito unterzeichnete. Vermutlich ein Drittel der Kongressabgeordneten und Senatoren verdankten ihre Wahl in jenem Jahr der paramilitärischen Unterstützung. Karte 20, auf der die damals unter paramilitärischer Kontrolle befindlichen Gebiete in Kolumbien markiert sind, macht deutlich, wie verbreitet ihr Einfluss war. Salvatore Mancuso drückte es in einem Interview folgendermaßen aus:
35 Prozent des Kongresses wurden in Gegenden gewählt, die den Selbstverteidigungsgruppen unterstanden. Dort zogen wir Steuern ein, sprachen Recht und hatten die militärische und territoriale Kontrolle über die Region. Alle, die Politiker werden wollten, mussten sich mit unseren dortigen politischen Vertretern verständigen.
Karte 20: Paramilitärische Präsenz in Kolumbien, 1997–2005
Man kann sich leicht vorstellen, welche Auswirkungen eine derartige Kontrolle der Politik und der Gesellschaft auf die Wirtschaftsinstitutionen und die öffentliche Ordnung hatte. Die Ausweitung der AUC vollzog sich nicht friedlich und sie kämpften nicht nur gegen die FARC, sondern ermordeten auch unschuldige Zivilisten, terrorisierten Hunderttausende von Menschen und vertrieben sie aus ihren Behausungen. Nach Angaben des Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) des Norwegischen Flüchtlingsrats (Norwegian Refugee Council, NRC) waren Anfang 2010 rund 10 Prozent der Bevölkerung Kolumbiens, fast 4,5 Millionen Menschen, interne Vertriebene. Die Paramilitärs übernahmen auch, wie Mancuso andeutete, die Regierung und all ihre Funktionen, bloß mit dem Unterschied, dass sämtliche Steuereinnahmen in ihre eigenen Taschen flossen. In einem außergewöhnlichen Pakt zwischen dem Paramilitärführer Martín Llanos (wirklicher Name: Héctor Germán Buitrago) und den Bürgermeistern der Gemeinden Tauramena, Aguazul, Maní, Villanueva, Monterrey und Sabanalarga im Departamento Casanare in Ostkolumbien werden unter anderem folgende Regeln genannt, an die sich die Bürgermeister auf Befehl der »Paramilitärischen Bauern von Casanare« halten mussten:
50 Prozent des Gemeindehaushalts werden den Paramilitärischen Bauern von Casanare überlassen und von ihnen verwaltet.
10 Prozent jedes Gemeindeauftrags [sind an
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