Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
sondern auch die elementarsten wirtschaftlichen Anreize zerstören.
Das Ergebnis sind ökonomische Stagnation und – wie die jüngere Geschichte von Angola, Kamerun, dem Tschad, der Demokratischen Republik Kongo, Haiti, Liberia, Nepal, Sierra Leone, dem Sudan und Simbabwe veranschaulicht – Bürgerkrieg, Massenflucht, Hungersnöte und Epidemien. Dadurch werden viele dieser Länder ärmer, als sie es in den 1960er Jahren waren.
Ein Kinderkreuzzug?
Am 23. März 1991 überquerte eine Gruppe bewaffneter Männer unter Führung von Foday Sankoh die Grenze zwischen Liberia und Sierra Leone und überfiel den südlichen Grenzort Kailahun. Sankoh, ein ehemaliger Gefreiter in der Armee von Sierra Leone, war 1971 nach der Teilnahme an einem misslungenen Putsch gegen Siaka Stevens’ Regierung inhaftiert worden. Nach seiner Entlassung gelangte er irgendwann nach Libyen, wo er in ein Ausbildungslager eintrat, das der libysche Diktator Oberst Gaddafi für afrikanische Revolutionäre betrieb. Dort lernte er Charles Taylor kennen, der Pläne zum Sturz der Regierung in Liberia schmiedete. Als Taylor Weihnachten 1989 in Liberia einmarschierte, wurde er von Sankoh begleitet. Später drang dieser mit einer Gruppe von Taylors Männern, hauptsächlich Liberiern und Burkinaben (Bürgern von Burkina Faso), nach Sierra Leone ein. Sie nannten sich Revolutionary United Front (RUF) und verkündeten, die korrupte und tyrannische APC-Regierung beseitigen zu wollen.
Wie im vorigen Kapitel geschildert, hatten Siaka Stevens und seine All People’s Congress Party (APC) die extraktiven Institutionen der Kolonialherrschaft in Sierra Leone übernommen und sie intensiviert, ähnlich wie Mugabe und die ZANU-PF es in Simbabwe taten. Im Jahr 1985, als der krebskranke Stevens Joseph Momoh zu seinem Nachfolger bestimmte, war die Wirtschaft dem Untergang nahe. Stevens zitierte, anscheinend ohne jegliche Ironie, gern den Spruch: »Die Kuh frisst, wo sie angebunden ist.« Und wo Stevens gefressen hatte, schlug sich nun Momoh den Wanst voll. Die Straßen zerfielen, und die Schulen lösten sich auf. Die Programme des Staatsfernsehens wurden 1987 eingestellt, als der Informationsminister den Sender verkaufte, und 1989 stürzte der Funkturm ein, der die Signale aus Freetown übermittelte, wonach die Übertragungen außerhalb der Hauptstadt aufhörten. Eine Analyse, die 1995 in einer Zeitung in Freetown veröffentlicht wurde, klingt sehr plausibel:
Als Momohs Herrschaft endete, hatte er die Bezahlung von Beamten, Lehrern und sogar von Paramount Chiefs eingestellt. Die Zentralregierung war zusammengebrochen, und so kam es natürlich zu Grenzübertretungen. Über die Grenze von Liberia drangen massenhaft »Rebellen« und automatische Waffen ein. Der NPRC, die »Rebellen« und die »Sobellen« [zu Rebellen gewordene Soldaten] trugen alle zu dem Chaos bei, das man nach dem Verschwinden einer Regierung erwartet. Nichts davon ist die Ursache unserer Probleme, sondern es handelt sich um Symptome.
Der Zerfall des Staates unter Momoh, wiederum eine Folge des Teufelskreises, den die extrem extraktiven Institutionen unter Stevens ausgelöst hatten, war dafür verantwortlich, dass nichts die RUF daran hindern konnte, die Grenze 1991 zu überschreiten. Der Staat war zu keinem Widerstand mehr fähig, denn Stevens hatte das Militär bereits entmachtet, da er befürchtet hatte, von ihm gestürzt zu werden. Danach fiel es einer relativ kleinen Gruppe bewaffneter Männer leicht, im größten Teil des Landes für Chaos zu sorgen. Sie besaßen sogar ein Programm mit dem Titel »Pfade zur Demokratie«, das mit einem Zitat des schwarzen Intellektuellen Frantz Fanon eingeleitet wurde: »Jede Generation muss aus relativer Unklarheit heraus ihre Mission entdecken, sie erfüllen oder sie verraten.« Der Abschnitt mit der Überschrift »Wofür kämpfen wir?« beginnt:
Wir setzen den Kampf fort, weil wir es überdrüssig sind, ständig Opfer staatlich verursachter Armut und menschlicher Entwürdigung zu sein, die uns durch Jahre autokratischer Herrschaft und des Militarismus heimsuchen. Aber wir werden Zurückhaltung üben und geduldig am Sammelplatz des Friedens warten – wo wir den Sieg davontragen werden. Wir setzen uns mit allen Mitteln für den Frieden ein, aber wir sind nicht bereit, zu Opfern des Friedens zu werden. Wir wissen, dass unsere Sache gerecht ist und dass Gott/Allah uns bei unserem Ringen, ein neues Sierra Leone aufzubauen, nie allein lassen wird.
Obwohl Sankoh
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