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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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und andere RUF-Führer zunächst die politischen Missstände beklagt hatten (und das Elend der Menschen, die unter den extraktiven Institutionen der APC litten, mochte anfangs viele bewogen haben, sich der Bewegung anzuschließen), geriet die Situation bald außer Kontrolle. Durch die »Mission« der RUF wurde das Land in die Agonie getrieben, wie ein Teenager aus Geoma im Süden von Sierra Leone bezeugt:
    Sie holten einige von uns zusammen … Dann wählten sie mehrere unserer Freunde aus und töteten zwei von ihnen. Ihre Väter waren Chiefs, und sie hatten Soldatenstiefel und -ausrüstung in ihren Häusern. Man erschoss sie aus keinem anderen Grund als dem, dass sie angeblich Soldaten versteckten. Die Chiefs – als Teil der Regierung – wurden ebenfalls ermordet. Sie ernannten einen neuen Chief. Immer noch behaupteten sie, sie wollten uns von der APC befreien. Nach einer Weile wählten sie niemanden mehr aus, um ihn zu töten, sondern erschossen einfach beliebige Menschen.
    Im ersten Jahr nach dem Einmarsch hatte die RUF sämtliche intellektuellen Wurzeln verloren. Sankoh ließ alle hinrichten, welche die wachsende Zahl der Gräueltaten kritisierten. Bald schlossen sich nur noch wenige Freiwillige der RUF an. Deshalb wandte sie sich der Zwangsrekrutierung, besonders von Kindern, zu. Dies taten übrigens alle Seiten, die Armee eingeschlossen. Wenn der Bürgerkrieg in Sierra Leone als Kreuzzug für eine bessere Gesellschaft begonnen hatte, so wurde er am Ende zu einem Kinderkreuzzug. Der Konflikt verschärfte sich durch Massaker und unglaubliche Menschenrechtsverletzungen, darunter Massenvergewaltigungen und Amputationen von Händen und Ohren. Wenn die RUF ein Gebiet besetzte, beutete sie es auch wirtschaftlich aus. Dies war am offensichtlichsten in den Diamantenbergbau-Regionen, wo die Menschen zur Diamantenförderung gezwungen wurden. Aber solche Praktiken waren auch anderswo verbreitet.
    Nicht nur die RUF beging Gemetzel und sonstige Gräueltaten und setzte die organisierte Zwangsarbeit ein. Die Regierung handelte genauso. Die Spuren von Recht und Ordnung verwischten sich so sehr, dass man kaum noch zwischen Soldaten und Rebellen unterscheiden konnte. Jegliche militärische Disziplin war verschwunden. Als der Krieg im Jahr 2001 endete, waren vermutlich 80000 Menschen gestorben, und das ganze Land lag in Schutt und Asche. Straßen, Häuser und öffentliche Gebäude waren völlig zerstört. Noch heute sieht man auf der Fahrt nach Koidu, wo sich wichtige Diamantenfelder befinden, Reihen ausgebrannter, von Kugeln durchlöcherter Häuser.
    Bereits 1991 war der Staat in Sierra Leone gescheitert. Man denke an das, was König Shyaam mit den Bushong anstellte: Er gründete extraktive Institutionen, um seine Macht zu festigen und um die Produktion der Gesellschaft an sich zu reißen. Doch selbst extraktive Institutionen mit der Zentralgewalt in den Händen des Königs waren einer Situation ohne Recht und Ordnung, ohne eine zentrale Autorität und ohne Eigentumsrechte vorzuziehen, welche die Lele-Gesellschaft am anderen Ufer des Kasai kennzeichnete. Der Mangel an Ordnung und an einer Zentralgewalt wurde in den vergangenen Jahrzehnten zum Schicksal vieler afrikanischer Staaten, teils weil der Prozess der politischen Zentralisierung im subsaharischen Afrika aus historischen Gründen verzögert wurde, aber auch deshalb, weil der Teufelskreis der extraktiven Institutionen jegliche staatliche Zentralisierung zunichtemachte, so dass sich das Versagen des Staates anbahnte.
    Sierra Leone lieferte während seines blutigen Bürgerkriegs von 1991 bis 2001 das typische Beispiel eines gescheiterten Staates. Zuerst war es nur eines von vielen Ländern, die durch extraktive Institutionen, wenn auch von besonders böser und ineffizienter Art, geschädigt wurden. Staaten scheitern nicht infolge ihrer geographischen Lage oder ihrer Kultur, sondern durch das Vermächtnis extraktiver Institutionen, die Macht und Wohlstand auf die Herrscher beschränken, was zu Unruhe, Streit und Bürgerkrieg führt. Extraktive Institutionen wirken auch dadurch direkt am allmählichen Versagen des Staates mit, dass sie selbst in die elementarsten öffentlichen Dienstleistungen nicht mehr investieren, und genau das geschah in Sierra Leone.
    Extraktive Institutionen, die das Volk enteignen und in die Verarmung treiben sowie die Wirtschaftsentwicklung blockieren, sind in Afrika, Asien und Südamerika recht häufig. Charles Taylor half bei der Entfachung des

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