Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Partei nicht mehr auf den Klassenkampf, sondern auf die wirtschaftliche Modernisierung konzentrieren solle. Das Plenum gab grünes Licht für ein paar vorsichtige Experimente: In mehreren Provinzen wollte man ein »Haushaltsverantwortungssystem« einrichten, was bedeutete, dass in der Landwirtschaft wirtschaftliche Anreize an die Stelle des Kollektivismus traten. Im folgenden Jahr bestätigte das Zentralkomitee Dengs Gedanken, dass »die Wahrheit aus den Fakten herauszuarbeiten« sei, und erklärte die Kulturrevolution zu einer Katastrophe für das chinesische Volk.
Unterdessen sorgte Deng weiterhin dafür, dass seine Anhänger in wichtige Partei-, Armee- und Regierungspositionen gelangten. Zwar musste er im Zentralkomitee behutsam gegen Huas Mitarbeiter vorgehen, aber er errichtete parallele Machtbasen. 1980 blieb Hua dann nichts anderes mehr übrig, als zugunsten von Zhao Ziyang vom Amt des Ministerpräsidenten zurückzutreten. 1982 wurde er auch aus dem Zentralkomitee entfernt.
Doch damit war Deng noch nicht zufrieden. Auf dem 12. Nationalkongress im Jahr 1982 und dann auf dem Nationalen Volkskongress im September 1985 gelang es ihm, die Parteiführung und die höchsten Kader fast völlig auszutauschen. Viel jüngere, reformbereite Personen rückten nach. Zwischen 1980 und 1985 wurden einundzwanzig der sechsundzwanzig Politbüromitglieder, acht der elf Sekretariatsmitglieder der Kommunistischen Partei sowie zehn der achtzehn Vizeministerpräsidenten ersetzt.
Nachdem Deng und die Reformer ihre politische Revolution vollzogen hatten und das Heft im Staat in der Hand hielten, leiteten sie eine Reihe weiterer Änderungen in den Wirtschaftsinstitutionen ein. Sie begannen mit der Landwirtschaft: 1983 wurde das Haushaltsverantwortungssystem, das den Bauern Anreize liefern sollte, allgemein eingeführt. 1985 gab man die staatlichen Zwangsverkäufe von Getreide zugunsten freiwilliger Verträge auf, und die administrative Kontrolle der Agrarpreise wurde stark gelockert. In der städtischen Wirtschaft erhielten die Staatsunternehmen mehr Autonomie, und es wurden vierzehn »offene Städte« benannt, die sich um ausländische Investitionen bemühen durften.
Als Erstes kam die Landwirtschaft in Bewegung. Die gesetzten Anreize führten zu einer drastischen Erhöhung der Agrarproduktivität. Bereits 1984 war die Getreideerzeugung gegenüber 1978 um ein Drittel gestiegen, obwohl inzwischen weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiteten. Viele waren in die neuen ländlichen Wirtschaftszweige, die sogenannten Dorfgemeinde-Unternehmen, übergewechselt. Diese hatte man nach 1979 außerhalb des offiziellen Plansystems zum Zweck der Konkurrenz zu staatseigenen Firmen heranwachsen lassen. Allmählich wurden auch wirtschaftliche Anreize in staatseigenen Unternehmen eingeführt, wobei allerdings von Privatisierung, die bis Mitte der 1990er Jahre warten musste, noch keine Rede war.
Die Wiedergeburt Chinas vollzog sich durch eine spürbare Verlagerung von den höchst extraktiven Wirtschaftsinstitutionen hin zu einem inklusiveren System. Marktanreize in Landwirtschaft und Industrie, gefolgt von ausländischen Investitionen und Technologien, sollten China zu einem zügigen Wachstum verhelfen. Wie wir im folgenden Kapitel noch gründlicher erläutern werden, handelte es sich um ein Wachstum unter extraktiven politischen Institutionen, selbst wenn sie nicht mehr so repressiv wie zur Zeit der Kulturrevolution waren und obwohl die Wirtschaftsinstitutionen zum Teil mehr und mehr inklusiv wurden. All das sollte der Radikalität des Wandels der chinesischen Wirtschaftsinstitutionen jedoch keinen Abbruch tun. China sprengte den Rahmen, obwohl seine politischen Institutionen erhalten blieben.
Wie in Botswana und in den amerikanischen Südstaaten kamen die entscheidenden Änderungen in einer kritischen Phase zustande, in diesem Fall nach Maos Tod. Zudem waren sie höchst unberechenbar, denn es war keineswegs unvermeidlich, dass die Viererbande den Machtkampf verlor. Hätte sie ihn gewonnen, wäre das nachhaltige Wirtschaftswachstum der vergangenen dreißig Jahre in China nicht eingetreten. Aber die Verheerung und das menschliche Leid, die der Große Sprung nach vorn und die Kulturrevolution verursacht hatten, ließen den Drang nach einem Wandel so stark werden, dass Deng Xiaoping und seine Verbündeten den politischen Kampf gewinnen konnten.
Botswana, China und die US-amerikanischen Südstaaten sind ebenso wie die Glorreiche Revolution in
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