Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
zwischen extraktiven und inklusiven wirtschaftlichen und politischen Institutionen. Die zweite ist unsere Erklärung dafür, warum inklusive Institutionen in manchen Teilen der Welt entstanden, in anderen jedoch nicht. Während sich die erste Ebene unserer Theorie mit der institutionellen Interpretation der Geschichte befasst, geht es auf der zweiten Ebene darum, wie die Geschichte die institutionelle Entwicklung von Staaten beeinflusst.
Im Mittelpunkt unserer Theorie steht die Verbindung zwischen inklusiven wirtschaftlichen und politischen Institutionen einerseits und dem Wohlstand andererseits. Inklusive Wirtschaftsinstitutionen, die den Schutz von Eigentumsrechten durchsetzen, faire Wettbewerbsbedingungen herstellen sowie Investitionen in neue Technologien und Fertigkeiten fördern, sind für das Wachstum nützlicher als extraktive Wirtschaftsinstitutionen, deren Struktur zur Folge hat, dass wenige die Ressourcen von vielen an sich bringen, dass Eigentumsrechte nicht geschützt und keine Anreize für ein wirtschaftliches Engagement geschaffen werden. Inklusive Wirtschaftsinstitutionen stützen ihre politischen Pendants und werden ihrerseits von ihnen gestützt. Die Letzteren verteilen die Macht auf pluralistische Art und erzeugen eine gewisse politische Zentralisierung, wodurch sie Recht und Ordnung, die Grundlagen sicherer Eigentumsrechte und eine inklusive Marktwirtschaft herstellen können. Entsprechend sind extraktive Wirtschaftsinstitutionen mit einem extraktiven politischen System synergistisch verknüpft, in dem sich die Macht in den Händen weniger konzentriert. Diese sind motiviert, extraktive Wirtschaftsinstitutionen zu ihrem eigenen Nutzen zu entwickeln und zu erhalten und die Ressourcen, über die sie verfügen, zur Festigung ihrer politischen Macht zu verwenden.
Daraus sollte nicht geschlossen werden, dass extraktive wirtschaftliche und politische Institutionen unvereinbar mit ökonomischem Wachstum sind. Im Gegenteil, jede Elite würde, ceteris paribus, gern so viel Wachstum wie möglich herbeiführen, um ihre Gewinne zu erhöhen. Extraktive Institutionen, die wenigstens ein Minimum an politischer Zentralisierung erreicht haben, sind häufig in der Lage, ein gewisses Wachstum zu erzeugen. Allerdings kann Wachstum unter extraktiven Institutionen nicht dauerhaft durchgehalten werden. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens erfordert Wirtschaftswachstum immer wieder Innovationen, die nicht von schöpferischer Zerstörung abzukoppeln sind. Diese wiederum ersetzt im Wirtschaftsbereich Altes durch Neues und destabilisiert überkommene Machtbeziehungen in der Politik. Eliten, die extraktive Institutionen dominieren, haben Angst vor der schöpferischen Zerstörung und widersetzen sich ihr, weshalb jegliches Wachstum unter solchen Bedingungen nur kurzlebig sein kann. Zweitens ist, da die Herrschenden unter extraktiven Institutionen ihre Profite in hohem Maße auf Kosten der übrigen Gesellschaft einfahren, die politische Macht in solchen Systemen sehr begehrt, und viele Gruppen und Einzelpersonen versuchen, sie an sich zu reißen. Folglich gibt es mächtige Kräfte, die Gesellschaften mit extraktiven Institutionen in die politische Instabilität treiben.
Die Synergien zwischen extraktiven wirtschaftlichen und extraktiven politischen Institutionen erzeugen einen Teufelskreis, in dem das extraktive System, wenn es erst einmal verankert ist, zumeist weiterexistiert. Außerdem gibt es einen Tugendkreis, der mit inklusiven wirtschaftlichen und politischen Institutionen verbunden ist. Aber keiner der beiden ist unveränderlich. Im Gegenteil, manche Staaten haben heute inklusive Institutionen, weil sie, obwohl extraktive Systeme in der Geschichte die Regel sind, fähig waren, den Rahmen zu sprengen und den Übergang zu vollziehen. Wir erklären solche Übergänge mit historischen Fakten, doch sie sind nicht historisch vorgegeben. Ein bedeutender institutioneller Wandel, die Voraussetzung für wichtige ökonomische Veränderungen, kann sich als Resultat des Zwischenspiels zwischen bestehenden Institutionen und Umbruchphasen vollziehen. Umbruchbruchphasen sind durch folgenschwere Ereignisse gekennzeichnet, die das politische und wirtschaftliche Gleichgewicht in einer oder vielen Gesellschaften erschüttern. Dazu gehören beispielsweise der Schwarze Tod, dem im 14. Jahrhundert möglicherweise die halbe Bevölkerung fast ganz Europas zum Opfer fiel; die Öffnung der atlantischen Handelsrouten, die zahlreichen Personen
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