Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
geschätzt, dass nur 10 oder höchstens 20 Prozent der Auslandshilfe ihr Ziel erreichen. Es laufen Dutzende von Betrugsermittlungsverfahren gegen UN-Vertreter und Beamte vor Ort, die der Abschöpfung von Hilfsgeldern verdächtigt werden. Aber die Verschwendung hat überwiegend nichts mit Betrug, sondern mit Inkompetenz oder, noch schlimmer, mit den üblichen Gepflogenheiten von Hilfsorganisationen zu tun.
Die afghanische Erfahrung mit der Auslandshilfe war wahrscheinlich sogar ein relativer Erfolg. In den vergangenen fünf Jahrzehnten haben Regierungen überall auf der Welt Hunderte von Milliarden Dollar als »Entwicklungshilfe« gezahlt. Der Löwenanteil wurde, wie in Afghanistan, für Verwaltungskosten und durch Korruption vergeudet. Noch übler ist, dass hohe Summen an Diktatoren wie Mobutu gezahlt wurden, der auf Hilfe durch seine westlichen Gönner angewiesen war, um sich Unterstützung für sein Regime erkaufen und sich selbst bereichern zu können. Im übrigen subsaharischen Afrika herrschten zumeist ähnliche Verhältnisse. Die kurzfristige humanitäre Krisenhilfe, in letzter Zeit beispielsweise auf Haiti und in Pakistan, war unzweifelhaft effektiver, obwohl auch ihre Realisierung von ähnlichen Problemen beeinträchtigt wurde.
Trotz der wenig schmeichelhaften Erfolgsbilanz ist »Entwicklungshilfe« eine der populärsten Aktionen, die westliche Regierungen, internationale Einrichtungen wie die Vereinten Nationen und allerlei NGOs zur Bekämpfung der weltweiten Armut empfehlen. Und natürlich wiederholt sich der Zyklus des Scheiterns von Auslandshilfe ein ums andere Mal. Der Gedanke, dass reiche westliche Länder hohe Summen an »Entwicklungshilfe« bereitstellen sollten, um das Problem der Armut im subsaharischen Afrika, in der Karibik, in Zentralamerika und Südasien zu lösen, beruht auf einem mangelnden Verständnis der Ursachen von Armut. Staaten wie Afghanistan sind wegen ihrer extraktiven Institutionen arm, die dafür verantwortlich sind, dass es keine Sicherung von Eigentumsrechten und von Gesetz und Ordnung und auch keine gut funktionierenden Justizsysteme gibt, während die erstickende Dominanz nationaler und, noch häufiger, lokaler Eliten im politischen und wirtschaftlichen Leben fortdauert.
Die gleichen institutionellen Probleme führen dazu, dass die Auslandshilfe ineffektiv bleibt, da die Gelder entweder geraubt werden oder ihren Zielort nicht erreichen. Im schlimmsten Fall erhalten sie Regime am Leben, welche die Wurzel allen Übels in jenen Gesellschaften sind. Wenn ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum von inklusiven Institutionen abhängig ist, kann die Unterstützung von Regimen mit extraktiven Institutionen nicht die Lösung sein. Damit soll jedoch nicht bestritten werden, dass spezifische Hilfsprogramme viel Gutes bewirken können, wenn durch sie in Gegenden Schulen gebaut und Lehrer bezahlt werden, in denen man sonst auf beides verzichten müsste. Während die meisten »Entwicklungshelfer« in Kabul wenig zur Verbesserung des Lebens für die gewöhnlichen Afghanen beitrugen, wurden einige bemerkenswerte Erfolge beim Bau von Schulen erzielt, besonders für Mädchen, die unter den Taliban und auch vorher völlig vom Erziehungswesen ausgeschlossen waren.
Eine Lösung, die in letzter Zeit mehr Anklang findet – teils, weil man begriffen hat, dass Wohlstand und auch die Realisierung der geplanten Hilfen etwas mit den Institutionen zu tun haben –, besteht darin, die Auslandshilfe an Bedingungen zu knüpfen, etwa daran, dass die Empfänger die Märkte liberalisieren oder einen Prozess der Demokratisierung einleiten. Die Administration von George W. Bush unternahm den größten Schritt hin zu dieser Form der Hilfe, indem sie den Millenium Challenge Account gründete, der künftige Zahlungen von quantitativen Verbesserungen in mehreren Bereichen der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung abhängig machte.
Aber die Effektivität der Hilfsleistungen, ob sie an Bedingungen gebunden sind oder nicht, scheint sich nicht erhöht zu haben. Länder, welche die Bedingungen nicht erfüllen, erhalten in der Regel keine geringeren Beträge als andere. Dafür gibt es einen schlichten Grund: Sie haben einen größeren Bedarf an Entwicklungs- oder humanitärer Hilfe. Und wie zu erwarten war, scheint die an Bedingungen geknüpfte Hilfe kaum Auswirkungen auf die Institutionen eines Staates zu haben. Schließlich wäre es recht erstaunlich, wenn jemand wie Siaka Stevens in Sierra Leone oder Mobutu
Weitere Kostenlose Bücher