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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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im Kongo plötzlich begönne, die extraktiven Institutionen, auf die er angewiesen ist, für ein wenig mehr Auslandshilfe abzubauen. Sogar im subsaharischen Afrika, wo die Finanzhilfe einen beträchtlichen Prozentsatz der Regierungshaushalte ausmachen kann, und auch nach der Gründung des Millenium Challenge Account, der die Bedingungen verschärft hat, ist die zusätzliche Auslandshilfe, die ein Diktator durch die Schwächung seiner eigenen Macht erhalten kann, recht gering und nicht das Risiko wert, das für die Fortdauer seiner Herrschaft oder für sein Leben entstehen könnte.
    All das heißt jedoch nicht, dass die Auslandshilfe, abgesehen von der humanitären Variante, eingestellt werden sollte. Das wäre unpraktisch und würde wahrscheinlich noch mehr menschliches Leid verursachen. Es wäre ferner unpraktisch, weil die Bürger vieler westlicher Staaten Unbehagen und Schuldgefühle angesichts der wirtschaftlichen und humanitären Katastrophen in der Welt empfinden und weil Auslandshilfe ihnen das Gefühl verschafft, dass wenigstens etwas zur Bekämpfung der Probleme unternommen wird. Darum wird die Leistung von Auslandshilfe fortgesetzt werden. Auch die umfangreichen internationalen Organisationen und NGOs werden unermüdlich Ressourcen verlangen und mobilisieren. Zudem wäre es grausam, die Hilfe für die bedürftigsten Staaten der Welt zu kürzen. Gewiss, vieles davon wird verschwendet. Aber wenn zehn Cent von jedem Dollar die Ärmsten der Welt erreichen, dann sind das immer noch zehn Cent mehr als vorher, die zur Linderung des bittersten Elends dienen können.
    Hieraus lassen sich zwei wichtige Lektionen ableiten. Erstens ist Auslandshilfe heutzutage kein wirkungsvolles Mittel, um dem Scheitern von Nationen, wo auch immer auf der Welt, entgegenzuwirken. Ganz im Gegenteil. Länder benötigen inklusive wirtschaftliche und politische Institutionen, um aus dem Armutszyklus auszubrechen. Auslandshilfe kann an diesem Punkt wenig bewirken, und schon gar nicht in ihrer gegenwärtigen Organisationsform. Die Wurzeln der Weltungleichheit und -armut zu erkennen ist wichtig, damit wir unsere Hoffnungen nicht an falsche Versprechen knüpfen. Da diese Wurzeln in den Institutionen zu finden sind, kann Auslandshilfe, zumal innerhalb der Organisationsstruktur der Empfängerstaaten, wenig zur Entstehung nachhaltigen Wachstums beitragen.
    Zweitens wäre es, da die Entwicklung inklusiver wirtschaftlicher und politischer Institutionen entscheidend ist, nützlich, den existierenden Strom der Auslandshilfe zumindest teilweise in die Förderung solcher Prozesse umzulenken. Wie wir gesehen haben, ist es nicht sinnvoll, Bedingungen zu stellen, da die Herrscher dann Konzessionen machen müssten. Bessere Aussichten hätte es wahrscheinlich, wenn man die Auslandshilfe so strukturierte, dass durch ihre Verwaltung und Verwendung Gruppen und Anführer, die sonst von der Macht ausgeschlossen wären, in den Entscheidungsprozess eingebunden und breitere Bevölkerungsschichten gestärkt werden.

Empowerment
    Der 12. Mai 1978 schien ein normaler Tag in dem Scânia-Lkw-Werk in São Bernardo im brasilianischen Staat São Paulo zu werden. Aber die Arbeiter waren unruhig. Seit 1964, als das Militär die demokratische Regierung von Präsident João Goulart gestürzt hatte, waren Streiks in Brasilien verboten. Aber gerade war bekannt geworden, dass die Regierung die Inflationszahlen und damit den Anstieg der Lebenshaltungskosten falsch angegeben hatte. Zu Beginn der Frühschicht, um 7 Uhr, verweigerte das Personal die Arbeit. Um 8 Uhr rief der im Betrieb arbeitende Gewerkschaftsorganisator Gilson Menezes die Gewerkschaft an. Der Vorsitzende der Metallarbeiter von São Bernardo war ein dreiunddreißigjähriger Aktivist namens Luiz Inácio Lula da Silva (»Lula«). Bereits am Mittag tauchte er in der Fabrik auf. Als die Werksleitung ihn aufforderte, das Personal zur Arbeitsaufnahme zu bewegen, weigerte er sich.
    Der Scânia-Streik war der erste in einer Welle, die Brasilien überschwemmte. Oberflächlich betrachtet, ging es nur um Lohnforderungen, doch Lula erläuterte später:
    Ich glaube, wir können wirtschaftliche und politische Faktoren nicht voneinander trennen … Der … Kampf hatte mit den Löhnen zu tun, aber dadurch errang die Arbeiterklasse einen politischen Sieg.
    Das Wiederaufkommen der brasilianischen Gewerkschaftsbewegung war nur ein Teil der viel umfassenderen gesellschaftlichen Reaktion auf anderthalb Jahrzehnte Militärherrschaft.

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