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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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ein reicher Seidenhändler aus einer Familie, die das hohe Amt noch nie innegehabt hatte.
    Dem institutionellen Wandel schloss sich eine gewaltige Expansion der Geschäfte und der venezianischen Flotte an. Im Jahr 1082 wurden Venedig großzügige Handelsprivilegien in Konstantinopel gewährt, wo ein venezianisches Viertel entstand. Bald beherbergte es zehntausend Bürger der Handelsstadt. Hier zeigt sich das Zusammenwirken inklusiver wirtschaftlicher und politischer Institutionen.
    Die Wirtschaftsexpansion Venedigs, die das Streben nach politischem Wandel verstärkte, kannte kein Halten mehr, als sich die politischen und wirtschaftlichen Institutionen nach der Ermordung des Dogen im Jahr 1171 veränderten. Der erste bedeutende Schritt war die Gründung eines Großen Rates, der fortan die ultimative Quelle der Macht in Venedig sein sollte. Der Rat bestand aus Amtsträgern des venezianischen Staates, beispielsweise Richtern, und wurde von Aristokraten dominiert. Alljährlich schlug ein Nominierungsausschuss, dessen vier Angehörige aus dem existierenden Rat gewählt wurden, hundert neue Mitglieder vor. Später wählte der Rat auch die Vertreter des Senats und des Rates der Vierzig, die verschiedene Legislativ- und Exekutivfunktionen wahrnahmen. Daneben wählte er den Kleinen Rat mit nun zwei statt sechs Mitgliedern.
    Die zweite Innovation war die Schaffung noch eines Rates zur Nominierung des Dogen. Zwar musste die Entscheidung durch die Generalversammlung bestätigt werden, doch da sich die Nominierung auf eine einzige Person beschränkte, blieb die Wahl des Dogen faktisch dem Rat überlassen. Die dritte Innovation sah vor, dass der neue Doge einen Amtseid ablegte, was seine Vollmachten begrenzte. Nach und nach erweiterten sich diese Auflagen, so dass künftige Dogen Amtsgerichten gehorchen und sämtliche Entscheidungen durch den Kleinen Rat absegnen lassen mussten. Der Kleine Rat achtete außerdem darauf, dass der Doge die Entscheidungen des Großen Rates einhielt.
    Diese politischen Reformen lösten weitere institutionelle Neuerungen aus: die Ernennung unabhängiger Richter und Gerichtshöfe, die Schaffung eines Berufungsgerichts sowie neuer Vertrags- und Konkursgesetze. Derartige Wirtschaftsinstitutionen ermöglichten neue Unternehmensrechtsformen und Vertragsarten. Rasch folgten finanzielle Innovationen, und es entstanden die Anfänge des modernen Bankwesens. Die Dynamik, mit der die Stadt vollauf inklusive Institutionen zu entwickeln begann, schien unaufhaltsam zu sein.
    Aber der Prozess war von Spannungen gekennzeichnet. Das Wirtschaftswachstum, das sich auf die inklusiven venezianischen Institutionen stützte, wurde von schöpferischer Zerstörung begleitet. Durch jede neue Welle unternehmungslustiger junger Männer, die mit Hilfe der commenda oder ähnlicher Abkommen reich wurden, verringerten sich die Gewinne und wirtschaftlichen Erfolge der etablierten Eliten, und auch deren politische Macht wurde gefährdet. Folglich waren die existierenden Eliten im Großen Rat, wenn sie nicht in die Schranken gewiesen wurden, immer versucht, das System für nachrückende Kandidaten unzugänglich zu machen.
    Bei der Gründung des Großen Rates beschloss man, dessen Mitglieder alljährlich neu zu bestimmen. Zu diesem Zweck wählte man am Jahresende nach dem Zufallsprinzip vier Vertreter aus, die hundert automatisch nachrückende Mitglieder für das folgende Jahr nominierten. Am 3. Oktober 1286 ging im Großen Rat ein Antrag ein, die Vorschriften zu ändern und die Nominierungen durch eine Mehrheit des Rates der Vierzig, der straff von den Familien der Elite kontrolliert wurde, bestätigen zu lassen. Damit hätte die Elite ein Veto gegen neue Nominierungen für den Rat einlegen können. Der Antrag wurde zunächst abgelehnt, doch zwei Tage später angenommen. In Zukunft bestätigte man eine Kandidatur nur dann automatisch, wenn der Vater und der Großvater des Betreffenden Ratsmitglieder gewesen waren. In allen anderen Fällen musste der Kleine Rat zustimmen. Am 17. Oktober verabschiedete man eine weitere Regeländerung: Jegliche Ernennung für den Großen Rat war vom Rat der Vierzig, dem Dogen und dem Kleinen Rat zu billigen.
    Die Debatten und Verfassungsänderungen von 1286 deuteten bereits auf La serrata (»Die Schließung«) des Großen Rates hin. Im Februar 1297 wurde verfügt, allen, die dem Großen Rat seit vier Jahren angehörten, die automatische Nominierung und Bestätigung zu erteilen. Neue Nominierungen mussten

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