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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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institutionellen Fortschritts, denn die Entwicklung inklusiver Institutionen kann sich auch umkehren.
    Zweitens sind kleine institutionelle Unterschiede, die in Umbruchphasen eine entscheidende Rolle spielen, ihrem Wesen nach kurzlebig. Sie können sich ebenfalls umkehren, um dann wieder aufzutauchen und sich erneut umzukehren. Wir werden in diesem Kapitel noch aufzeigen, dass England, als sich der maßgebliche Schritt hin zu inklusiven Institutionen ereignete, im Gegensatz zu dem, was man nach der Geographie- oder der Kultur-Hypothese erwarten sollte, tiefste Provinz war. Die Britischen Inseln erschienen dem Römischen Reich nebensächlich im Vergleich zum kontinentalen Westeuropa, Nordafrika, dem Balkan, Konstantinopel und dem Nahen Osten. Als das Weströmische Reich im 5. Jahrhundert zusammenbrach, machte Britannien einen völligen Verfall durch. Trotzdem sollten die politischen Umwälzungen, die letztlich zur Industriellen Revolution führten, nicht in Italien, der Türkei oder im kontinentalen Westeuropa stattfinden, sondern auf genau diesen Britischen Inseln.
    Will man den Weg Englands und der ihm nacheifernden Länder zur Industriellen Revolution verstehen, so ist das römische Vermächtnis gleichwohl aus mehreren Gründen wichtig. Rom erlebte – wie Venedig – bedeutende frühe institutionelle Neuerungen. Wie in Venedig beruhte der anfängliche wirtschaftliche Erfolg auch in Rom auf inklusiven Institutionen – zumindest nach den Maßstäben jener Zeit. Wie in Venedig wurden diese Institutionen schrittweise extraktiver. In Rom war dies auf den Wechsel von der Republik (510–49 v.Chr.) zum Kaiserreich (49 v.Chr. – 476 n.Chr.) zurückzuführen. Obwohl Rom während der republikanischen Periode ein beeindruckendes Imperium aufbaute, in dem Fernhandel und Fernverkehr florierten, stützte sich ein großer Teil der Wirtschaft auf Extraktion. Dies verstärkte sich nach dem Ende der Republik und bewirkte schließlich interne Machtkämpfe, Instabilität und Verfall, ähnlich wie in den beschriebenen Maya-Stadtstaaten.
    Maßgeblicher aber ist, dass die spätere institutionelle Entwicklung Westeuropas kein direktes Vermächtnis Roms war, sondern mit den Umbruchphasen nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches zusammenhing. Diese Umbruchphasen hatten zwar keine Auswirkungen auf andere Teile der Welt wie Afrika, Asien oder Amerika, doch wir werden anhand der Geschichte Äthiopiens nachweisen, dass auch andere Gesellschaften in ähnlichen Umbruchphasen häufig auf erstaunlich ähnliche Art reagierten. Der römische Untergang führte zum Feudalismus und zum Ende der Sklaverei; er ließ von Monarchen und Aristokraten unabhängige Städte entstehen und brachte Institutionen hervor, die den politischen Einfluss der Herrscher schwächten. Der Schwarze Tod sollte dann durch seine Verwüstungen den Prozess auslösen, durch den die unabhängigen Städte und Bauern auf Kosten von Monarchen, Aristokraten und Großgrundbesitzern weiter gestärkt wurden. Zudem wurden die durch den Atlantikhandel geschaffenen Chancen genutzt. Viele Teile der Welt vollzogen diesen Wandel jedoch nicht, sondern entwickelten sich in eine andere Richtung.

Römische Tugenden …
    Der römische Volkstribun Tiberius Gracchus wurde im Jahr 133 v.Chr. von römischen Senatoren zu Tode geknüppelt, bevor sie seine Leiche in den Tiber werfen ließen. Die Mörder waren Aristokraten wie Tiberius selbst, und als Drahtzieher der Tat fungierte sein Cousin Publius Cornelius Scipio Nasica. Tiberius Gracchus war von makelloser Herkunft: Nachfahre einiger der berühmtesten Führer der Römischen Republik, darunter Lucius Aemilius Paullus, der Held des Zweiten Illyrischen und des Zweiten Punischen Krieges, sowie Scipio Africanus, der General, der Hannibal im Zweiten Punischen Krieg besiegte. Warum hatten sich die mächtigen Senatoren, darunter sogar sein Cousin, gegen Gracchus gewendet?
    Die Antwort verrät einiges über die Spannungen in der Römischen Republik und über die Ursachen ihres späteren Verfalls. Tiberius Gracchus war bereit, sich den Senatoren entgegenzustellen, weil er sich in einer wichtigen Frage behaupten wollte. Dabei ging es ihm um die Verteilung von Land und die Rechte der Plebejer, also des einfachen Volkes.
    Zu Lebzeiten von Tiberius Gracchus war Rom eine mächtige, reiche Republik. Die politischen Institutionen und die Tugenden der römischen Bürgersoldaten – eingefangen auf Jacques-Louis Davids bekanntem Gemälde Der Schwur

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