Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Römische Reich im Jahr 117 n.Chr.
Durch den Wandel der Republik in ein Prinzipat und später unverhohlen in ein Kaiserreich wurden die Keime für den Niedergang Roms gelegt. Die teils inklusiven politischen Institutionen, welche die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg gebildet hatten, wurden allmählich untergraben. Auch wenn die Römische Republik Senatoren und andere reiche Römer begünstigte, stellte sie kein absolutistisches Regime dar und hatte nie die Konzentration von so viel Macht in einem einzigen Amt zugelassen. Die von Augustus eingeführten Änderungen waren, wie im Fall der venezianischen serrata , zuerst politischer Natur, sollten dann jedoch entscheidende ökonomische Folgen haben. Dadurch verfiel das Weströmische Reich, wie sich der Westen nach der Teilung vom Osten nannte, im 5. Jahrhundert wirtschaftlich und militärisch.
… und römische Laster
Flavius Aëtius war eine der überlebensgroßen Gestalten des spätrömischen Imperiums und wurde von Edward Gibbon in Der Verfall und Untergang des Römischen Reiches als »letzter Römer« gepriesen. Zwischen 433 und 454 n.Chr., als Kaiser Valentinian III. ihn eigenhändig erschlug, war General Aëtius wahrscheinlich der mächtigste Mann im Reich. Er gestaltete die Innen- und Außenpolitik und führte eine Reihe wichtiger Schlachten gegen die Barbaren sowie – in Bürgerkriegen – gegen Römer. Als Einziger der an internen Konflikten beteiligten Heerführer strebte er nicht den Kaiserthron an. Seit Ende des zweiten Jahrhunderts waren Bürgerkriege im Römischen Reich üblich geworden. Vom Tod des Marcus Aurelius im Jahr 180 bis zum Zerfall des Weströmischen Reiches im Jahr 476 verging kaum ein Jahrzehnt ohne einen Bürgerkrieg oder einen Staatsstreich. Wenige Kaiser starben eines natürlichen Todes oder fielen in der Schlacht. Die meisten wurden von Thronräubern oder von ihren eigenen Soldaten ermordet.
Aëtius’ Karriere mag als Illustration für die Veränderungen von der Römischen Republik und dem frühen Reich bis hin zum späten Imperium dienen. Seine Teilnahme an unablässigen Bürgerkriegen und seine Macht in jedem Aspekt der Reichsgeschäfte standen in schroffem Gegensatz zu dem viel begrenzteren Einfluss von Generalen und Senatoren vergangener Zeiten; daneben ist an seiner Laufbahn abzulesen, wie radikal sich das Schicksal der Römer in der Zwischenzeit gewandelt hatte.
Im spätrömischen Reich beherrschten als Barbaren bezeichnete Nichtrömer und -griechen, die anfangs in die römischen Heere gepresst oder als Sklaven eingesetzt worden waren, viele Teile des Imperiums. Aëtius war als junger Mann von Barbaren – zuerst von den Goten unter Alarich und dann von den Hunnen – als Geisel genommen worden. Die römischen Beziehungen zu diesen Völkern zeigen an, in welchem Maße sich die Situation seit dem Ende der Republik verändert hatte. Alarich war nicht nur ein grimmiger Gegner, sondern auch ein Bundesgenosse Roms, weshalb er im Jahr 405 zu einem der obersten Generale des römischen Heeres ernannt wurde. Dies war jedoch nur ein zeitweiliges Arrangement, denn im Jahr 408 marschierte Alarich in Italien ein und plünderte Rom.
Auch die Hunnen waren einerseits mächtige Gegner und andererseits häufige Bundesgenossen der Römer. Obwohl sie Aëtius ebenfalls als Geisel genommen hatten, kämpften sie später in einem Bürgerkrieg an seiner Seite. Aber die Hunnen hielten Bündnisse nie lange ein, und unter Attila führten sie 451 unweit des Rheines eine große Schlacht gegen die Römer, die nun von den Goten unter Theoderich verteidigt wurden.
All das hinderte die römischen Eliten nicht an dem Versuch, die barbarischen Befehlshaber zu beschwichtigen – in vielen Fällen nicht etwa, um römische Territorien zu schützen, sondern um die Oberhand in internen Machtkämpfen zu gewinnen. Zum Beispiel verwüsteten die Vandalen unter ihrem König Geiserich große Teile der Iberischen Halbinsel und besetzten seit 429 die römische Kornkammer in Nordafrika. Die Reaktion der Römer bestand darin, Geiserich die blutjunge Tochter Kaiser Valentinians III. als Braut anzubieten. Geiserich war damals bereits mit der Tochter eines Gotenführers verheiratet, was ihn jedoch nicht weiter anfocht. Er erklärte die Ehe unter dem Vorwand für ungültig, dass seine Frau versucht habe, ihn zu ermorden, und schickte sie zurück zu ihrer Familie, nachdem er ihr beide Ohren und die Nase abgeschnitten hatte. Zum Glück für die künftige
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