Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
vergleichen. Dadurch lässt sich schätzen, wann der benutzte Baum gefällt wurde. Nur rund 20 Wracks sind bisher auf eine so ferne Zeit wie 500 v.Chr. datiert worden. Wahrscheinlich handelt es sich dabei nicht um römische, sondern beispielsweise um karthagische Schiffe. Für die Zeit danach stieg die Zahl der entdeckten römischen Wracks jedoch rapide und erreichte für den Zeitraum um Christi Geburt einen Höchstwert von 180. Die Schiffswracks geben detaillierte Auskunft über den Handelsumfang der Römischen Republik und in gewisser Weise auch über deren Wirtschaftswachstum, wobei wahrscheinlich zwei Drittel der Schiffsladungen dem römischen Staat in Form von Steuern und Tributen aus den Provinzen oder in Form von Getreide und Olivenöl aus Nordafrika gehörten, die an die Bürger der Stadt verteilt werden sollten.
Eine weitere faszinierende Möglichkeit der Feststellung von Hinweisen auf Wirtschaftswachstum bietet das Greenland Ice Core Project (GRIP). Wenn Schneeflocken fallen, nehmen sie Verunreinigungspartikel aus der Atmosphäre auf, vor allem die Metalle Blei, Silber und Kupfer. Dann gefriert der an den Polen fallende Schnee auf den in früheren Jahren entstandenen Schichten. Dieser Prozess vollzieht sich seit Jahrtausenden und bietet Wissenschaftlern eine beispiellose Möglichkeit, den Grad atmosphärischer Verschmutzung im Lauf der Epochen zu messen. In den Jahren 1990–1992 nahm das Greenland Ice Core Project eine Tiefbohrung durch 3030 Meter Eis vor, die etwa 250000 Jahre menschlicher Geschichte entsprechen. Einer der Hauptfunde des Projekts – und anderer vor ihm – war eine merkliche Zunahme von Luftschadstoffen seit rund 500 v.Chr. Die Mengen an Blei, Silber und Kupfer in der Atmosphäre erhöhten sich seitdem stetig und erreichten im ersten Jahrhundert n.Chr. einen ersten Spitzenwert. Erstaunlicherweise wird eine vergleichbare atmosphärische Bleimenge erst wieder im 13. Jahrhundert gemessen. Daraus geht hervor, wie intensiv der römische Bergbau gegenüber früheren und späteren Zeiträumen war – ein eindeutiges Indiz für wirtschaftliche Expansion.
Freilich war das römische Wachstum nicht nachhaltig, da es sich unter teils inklusiven, teils extraktiven Institutionen vollzog. Obwohl die römischen Bürger politische und wirtschaftliche Rechte hatten, war die Sklaverei verbreitet und äußerst extraktiv; zudem beherrschte die aus den Senatoren bestehende Elite sowohl die Wirtschaft als auch die Politik. Ungeachtet etwa der Plebejerversammlung und des Volkstribunats hatte der Senat, dessen Mitglieder von den Großgrundbesitzern gestellt wurden, die reale Macht. Laut dem römischen Historiker Livius wurde der Senat von Romulus, dem ersten König, geschaffen und bestand aus hundert Männern. Ihre Nachfahren bildeten die Senatorenklasse, die allerdings hin und wieder durch frisches Blut ergänzt wurde. Auch Grund und Boden war äußerst ungleich verteilt – eine Situation, die sich im zweiten Jahrhundert v.Chr. wahrscheinlich noch verschärfte. Hier lag der Kern der Probleme, die Tiberius Gracchus als Tribun in den Vordergrund stellte.
Während seiner Expansion im Mittelmeergebiet genoss Rom einen starken Zufluss an Reichtümern, wovon allerdings vorwiegend ein paar ohnehin vermögende Senatorenfamilien profitierten. Dadurch vergrößerte sich die Ungleichheit zwischen Reich und Arm. Die Senatoren hatten aber nicht nur die Kontrolle über die lukrativen Provinzen, sondern verdankten ihren Reichtum auch ihren riesigen Gütern überall in Italien. Diese Güter wurden von Sklaven bewirtschaftet, die oft in den von Rom geführten Kriegen gefangen genommen worden waren.
Genauso bedeutsam war, woher das Land für die Güter stammte. Während der Zeit der Republik setzten sich die Heere aus Bürgersoldaten zusammen, die zuerst in Rom und später in anderen Teilen Italiens kleine Grundstücke besaßen. Traditionsgemäß kämpften sie in der Armee, wenn es erforderlich war, und kehrten anschließend auf ihr Land zurück. Als Rom jedoch größer und die Feldzüge länger wurden, funktionierte das nicht mehr. Die Soldaten blieben ihren Besitztümern jahrelang fern, und viele Grundstücke lagen brach. Die Familien der Soldaten häuften unterdessen manchmal Schuldenberge an, und deshalb wurden viele Parzellen aufgegeben und den Gütern der Senatoren einverleibt. Während die Senatorenkaste immer reicher wurde, versammelte sich die überwiegende Mehrheit der landlosen Bürger, häufig nachdem
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