Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
sie aus der Armee entlassen worden waren, zur Arbeitssuche in Rom. Im 2. Jahrhundert v.Chr. erreichte die Situation einen gefährlichen Siedepunkt, weil die Kluft zwischen Reich und Arm gewachsen war und sich große Horden missmutiger Bürger in Rom aufhielten. Sie wollten die Ungerechtigkeiten nicht mehr hinnehmen und waren bereit, sich gegen die Aristokratie zu wenden. Doch die politische Macht lag weiter in den Händen der reichen Grundeigentümer, die von den Veränderungen der vergangenen beiden Jahrhunderte profitiert hatten. Die meisten hatten nicht die Absicht, das System, das ihnen so gute Dienste leistete, zu reformieren.
Dem römischen Historiker Plutarch zufolge erkannte Tiberius Gracchus während einer Reise durch Etrurien, eine Landschaft im heutigen Mittelitalien, die Not der Familien von Bürgersoldaten. Ob deshalb oder wegen seiner Unstimmigkeiten mit den mächtigen Senatoren – bald legte er einen kühnen Plan zur Umverteilung des Bodens in Italien vor. Im Jahr 133 v.Chr. kandidierte er für das Amt des Volkstribunen und brachte dann einen Reformantrag ein: Ein Ausschuss solle untersuchen, ob man öffentliche Ländereien, die illegal mit Beschlag belegt worden seien, und Besitzungen, die das gesetzliche Maximum von dreihundert Morgen überschritten, landlosen römischen Bürgern zukommen lassen könne. Die Dreihundert-Morgen-Grenze war in einem alten Gesetz festgelegt worden, das man seit Jahrhunderten missachtete.
Tiberius Gracchus’ Vorschlag empörte die Senatoren, und es gelang ihnen, die Verwirklichung der Reformen eine Zeitlang zu blockieren. Nachdem Tiberius die Massen mobilisiert hatte, um einen anderen Tribunen absetzen zu lassen, der gegen seine Landreform stimmen wollte, wurde der Ausschuss endlich gegründet. Doch der Senat hinderte das Gremium an der Realisierung seiner Pläne, indem er ihm die Mittel entzog.
Die Dinge spitzten sich zu, als Tiberius Gracchus für seine Reformkommission Anspruch auf das Vermögen erhob, das der König der griechischen Stadt Pergamon dem römischen Staat hinterlassen hatte. Auch bewarb er sich zum zweiten Mal um die Kandidatur als Tribun, teils weil er fürchtete, nach seiner Amtszeit vom Senat verfolgt zu werden. Das nahmen die Senatoren als Vorwand zu behaupten, Tiberius wolle sich zum König ausrufen lassen. Seine Anhänger und er wurden angegriffen, und viele kamen um. Tiberius Gracchus selbst fiel als einer der Ersten, doch das Problem bestand nach seinem Tod weiter, und andere kämpften um eine Reform der Verteilung von Grund und Boden sowie weiterer Aspekte der römischen Wirtschaft und Gesellschaft. Etlichen war ein ähnliches Schicksal beschieden. Zum Beispiel wurde auch Tiberius’ Bruder Gaius von Grundbesitzern ermordet, nachdem er in dessen Fußstapfen getreten war.
Im folgenden Jahrhundert brachen die Spannungen immer wieder durch. Unter anderem führten sie zum »Bundesgenossenkrieg« zwischen 91 und 87 v.Chr. Lucius Cornelius Sulla, der aggressiv die Interessen der Senatoren verteidigte, ließ nicht nur die Forderungen nach Reform brutal niederschlagen, sondern schränkte auch die Befugnisse des Volkstribunen stark ein. Schließlich betrat Julius Caesar die Bühne und begann seinen Kampf gegen den Senat, wobei er vom römischen Volk unterstützt wurde.
Die politischen Institutionen, die den Kern der Römischen Republik bildeten, wurden von Julius Caesar im Jahr 49 v.Chr. hinweggefegt, als er seine Legion den Rubikon überschreiten ließ, der die römische Provinz Gallia cisalpina von Italien trennte. Er besetzte Rom, und ein weiterer Bürgerkrieg brach aus. Im Jahr 44 v.Chr. wurde Caesar von aufgebrachten Senatoren, mit Brutus und Cassius an der Spitze, ermordet. Die Römische Republik jedoch sollte nie wieder erstehen.
Es kam zu einem weiteren Bürgerkrieg zwischen Caesars Anhängern, vor allem Marcus Antonius und Oktavian, und seinen Gegnern. Nachdem die beiden den Sieg errungen hatten, bekämpften sie einander, bis Oktavian in der Schlacht von Aktium (31 v.Chr.) triumphierte. In den nächsten viereinhalb Jahrzehnten regierte Oktavian, der nach 28 v.Chr. Augustus Caesar genannt wurde, Rom als Alleinherrscher. Er begründete das Römische Reich, bevorzugte jedoch den Titel »Princeps« (eine Art »Erster unter Gleichen«) und bezeichnete sein Regime als Prinzipat. Karte 11 zeigt das Römische Reich auf dem Höhepunkt seiner Größe im Jahr 117 n.Chr. und den Rubikon, den Caesar so schicksalhaft überquerte.
Karte 11: Das
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