Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Gesellschaft ohne jegliche Sklaven bereitet.
Die Umbruchphasen, in denen die Feudalgesellschaft entstand, waren klar abgegrenzt, aber nicht allein auf Europa beschränkt. Ein passender Vergleich lässt sich zum heutigen afrikanischen Staat Äthiopien ziehen, der sich aus dem um 400 v.Chr. im Norden des Landes gegründeten Königreich Axum herausbildete. Axum war ein für seine Zeit recht progressives Gemeinwesen, das mit Indien, Arabien, Griechenland und dem Römischen Reich Handel trieb. In vieler Hinsicht ähnelte es dem damaligen Oströmischen Reich. In beiden verwendete man Geld, errichtete öffentliche Monumentalbauten, schuf ein Straßensystem und verfügte über eine Landwirtschaft und über Handelsschiffe. Daneben gibt es interessante weltanschauliche Parallelen zwischen Axum und Rom. Im Jahr 312 n.Chr. konvertierte der römische Kaiser Konstantin zum Christentum, genau wie König Ezana von Axum ungefähr zur gleichen Zeit. Karte 12 zeigt die Lage des historischen Staates Axum im gegenwärtigen Äthiopien und Eritrea, mit Außenposten jenseits des Roten Meeres in Saudi-Arabien und Jemen.
Auch der Verfall von Axum folgte einem ähnlichen Muster wie der des Weströmischen Reiches. Die Rolle der Hunnen und Vandalen beim Untergang Roms wurde hier von den Arabern übernommen, die im 7. Jahrhundert ins Rote Meer und südwärts auf die Arabische Halbinsel vorrückten. Axum verlor seine Kolonien und Handelsrouten in Arabien. Dadurch wurde die Wirtschaft geschwächt: Man prägte keine Münzen mehr, die Stadtbevölkerung ging zurück, und der Staat konzentrierte sich wieder auf das Innere seines Territoriums sowie auf die Hochländer des jetzigen Äthiopien.
Karte 12: Das Reich Axum und die somalischen Clanfamilien
In Europa entwickelten sich nach dem Zusammenbruch der zentralen Staatsautorität Feudalinstitutionen. Das Gleiche geschah in Äthiopien auf der Grundlage des gult -Systems, in dessen Rahmen der Kaiser Grund und Boden verteilte. Dieses System wird in Manuskripten aus dem 13. Jahrhundert erwähnt, doch seine Ursprünge könnten viel älter sein. Der Begriff gult ist amharischen Ursprungs und bedeutet »er wies ein Lehen zu«. Als Gegenleistung für die Zuteilung von Land musste der gult -Inhaber dem Kaiser in erster Linie militärische Dienste leisten. Dafür hatte er das Recht, von denen, die sein Land bestellten, Abgaben zu fordern. Etliche historische Quellen belegen, dass gult -Inhaber die Hälfte bis drei Viertel der bäuerlichen Produktion für sich beanspruchten. Dieses System entwickelte sich eigenständig, wies aber bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit dem europäischen Feudalismus auf und war wahrscheinlich noch extraktiver. In England mussten die Leibeigenen auf dem Höhepunkt des Feudalismus weniger, nämlich etwa die Hälfte ihrer Erzeugnisse, an die Grundherren abführen.
Aber Äthiopien war nicht charakteristisch für Afrika. Anderswo wurde die Sklaverei nicht durch die Leibeigenschaft abgelöst; vielmehr sollten die Sklaverei und die Institutionen, die sie aufrechterhielten, in Afrika noch viele Jahrhunderte fortbestehen. Selbst Äthiopien schlug schließlich einen ganz anderen Weg ein. Nach dem 7. Jahrhundert blieb es durch seine Lage in den Bergen Ostafrikas von den Vorgängen isoliert, die anschließend den institutionellen Pfad Europas beeinflussten, zum Beispiel der Entstehung unabhängiger Städte, der sich abzeichnenden Beschränkung der Macht von Monarchen und der Expansion des Atlantikhandels nach der Entdeckung Amerikas. Infolgedessen wurde die äthiopische Variante absolutistischer Institutionen kaum in Frage gestellt.
Der afrikanische Kontinent sollte später auf ganz andere Art mit Europa und Asien zusammenwirken. Ostafrika wurde zum Hauptlieferanten von Sklaven für die arabische Welt, während West- und Zentralafrika während der europäischen Expansion des Atlantikhandels Sklaven für die Weltwirtschaft lieferten. Die Tatsache, dass der Atlantikhandel für Westeuropa und Afrika zu stark voneinander abweichenden Pfaden führte, liefert ein weiteres Beispiel für die institutionelle Divergenz, die sich aus dem Zusammenwirken zwischen Umbruchphasen und bestehenden institutionellen Unterschieden ergibt. Während die Profite aus dem Sklavenhandel in England bewirkten, dass die Gegner des Absolutismus reicher wurden, trugen sie in Afrika zur Entstehung und Stärkung des Absolutismus bei.
Weiter weg von Europa konnten sich die Institutionen natürlich unabhängiger
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