Warum Sex Spass macht
um 3300 v. Chr., waren alte Menschen für den ganzen Stamm von größter Bedeutung. Humangenetische Lehrbücher weisen regelmäßig darauf hin, daß die natürliche Selektion keine Mutationen ausmerzen kann, die nur bei alten Menschen zu Schäden führen. Daß es eine solche Auslese von Mutationen nicht geben kann, liegt angeblich daran, daß alte Menschen das fortpflanzungsfähige Alter hinter sich haben. Nach meiner Überzeugung übersieht man mit solchen Behauptungen eine entscheidende Tatsache, die uns Menschen von den meisten Tierarten unterscheidet. Von Einsiedlern abgesehen, hat kein Mensch die Fortpflanzung hinter sich in dem Sinne, daß er nicht mehr für Überleben und Fortpflanzung anderer Menschen sorgen kann, die seine eigenen Gene tragen. Ja, zugegeben: Würden OrangUtans in freier Wildbahn so lange leben, daß sie unfruchtbar werden, hätten sie die Fortpflanzung hinter sich, denn Orang-Utans sind – anders als Mütter mit einem Jungen – Einzelgänger. Ich räume auch ein, daß der Beitrag sehr alter Menschen zu heutigen alphabetisierten Gesellschaften im allgemeinen mit den Jahren abnimmt – dieses recht junge Phänomen ist die Wurzel der gewaltigen Probleme, die das Alter heute sowohl für die Alten selbst als auch für die übrige Gesellschaft aufwirft. Wir modernen Menschen verschaffen uns unsere Informationen zum größten Teil über Schrift, Fernsehen oder Radio. Deshalb können wir uns unmöglich vorstellen, welch immense Bedeutung ältere Menschen in einer analphabetischen Gesellschaft als Reservoir von Informationen und Erfahrungen hatten. Ich möchte für diese Funktion ein Beispiel nennen. Während meiner Freilanduntersuchungen zur Ökologie der Vögel auf Neuguinea und den benachbarten Pazifikinseln wohne ich unter Menschen, die schon immer ohne Schrift lebten, auf Steinwerkzeuge angewiesen waren und sich von Landwirtschaft und Fischerei ernährten, die durch Jagen und Sammeln ergänzt werden. Ich frage die Dorfbewohner ständig nach den Namen der einheimischen Pflanzen, Vögel und anderer Tiere in ihrer eigenen Sprache, und sie sollen mir auch erzählen, was sie über die einzelnen Arten wissen. Wie sich dabei herausstellt, verfügen die Bewohner Neuguineas und der Pazifikinseln über einen enormen Schatz überlieferter biologischer Kenntnisse, darunter Namen von mindestens tausend Arten sowie Informationen über Lebensraum, Verhalten, Ökologie und Nutzen für den Menschen. Alle diese Kenntnisse sind wichtig, denn wilde Pflanzen und Tiere machten herkömmlicherweise einen großen Teil der Nahrung dieser Menschen sowie ihr gesamtes Baumaterial, ihre Arzneien und ihre Schmuckgegenstände aus.
Wenn ich mich beispielsweise nach einem seltenen Vogel erkundige, fällt mir immer wieder auf, daß nur die älteren Jäger die Antwort wissen, und schließlich stelle ich auch eine Frage, die sogar sie in Verlegenheit bringt. Dann erwidern die Jäger: »Da müssen wir den alten Mann [oder die alte Frau] fragen!« Sie nehmen mich mit zu einer Hütte, und darin lebt ein alter Mann oder eine alte Frau, oft blind durch grauen Star, kaum noch zum Gehen fähig, zahnlos und ausschließlich auf die von jemand anders vorgekaute Nahrung angewiesen. Aber dieser alte Mensch ist die »Bibliothek« des Stammes. Da es in seiner Kultur traditionsgemäß noch nie schriftliche Zeugnisse gab, weiß der alte Mensch über die heimische Umgebung viel mehr als jeder andere und ist die einzige zuverlässige Informationsquelle, wenn es um Ereignisse geht, die sich vor langer Zeit zugetragen haben. So erfahre ich auch den Namen des seltenen Vogels und erhalte eine Beschreibung von ihm. Die gesammelte Erfahrung des alten Menschen ist für das Überleben des gesamten Stammes von großer Bedeutung. Im Jahr 1976 reiste ich zum Beispiel auf die Salomoneninsel Rennell Island im Taifungürtel des Südwestpazifik. Als ich fragte, welche Samen und Früchte die Vögel fressen, nannten meine einheimischen Informanten Dutzende von Pflanzennamen in der Rennell-Sprache; für jede dieser Arten führten sie alle Vogel- und Fledermausarten an, die sich davon ernähren, und machten auch Angaben darüber, ob die Frucht für Menschen eßbar sei. Die Eßbarkeit wurde dabei in drei Kategorien unterteilt: Früchte, die der Mensch unter keinen Umständen ißt; Früchte, die der Mensch regelmäßig ißt; und Früchte, die der Mensch nur bei Hungersnot ißt, zum Beispiel – und hier hörte ich einen Rennell-Begriff, der mir bis dahin nicht
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