Warum Sex Spass macht
geläufig war – nach dem hungi kengi. Dieser Begriff entpuppte sich als Bezeichnung für den schlimmsten Wirbelsturm, der seit Menschengedenken über die Insel gefegt war – offenbar um 1910, wie man den Hinweisen auf bekannte Vorgänge in der europäischen Kolonialverwaltung entnehmen konnte. Der hungi kengi zerstörte den größten Teil des Waldes auf der Insel, verwüstete Gärten und trieb die Menschen an den Rand des Hungertodes. Die Inselbewohner überlebten nur, weil sie Früchte aßen, die Menschen normalerweise nicht verzehrten; das erforderte aber ein genaues Wissen darüber, welche Pflanzen giftig waren und bei welchen man das Gift unter Umständen durch geeignete Zubereitung unschädlich machen konnte.
Als ich nun meinen einheimischen Informanten – sie waren im mittleren Alter – mit Fragen nach der Eßbarkeit der Früchte zusetzte, brachten sie mich in eine Hütte. Als meine Augen sich an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, sah ich ganz in der Ecke die unvermeidliche, hinfällige alte Frau, die ohne Hilfe nicht mehr gehen konnte. Sie war die letzte lebende Person, die noch selbst nach dem hungi kengi Erfahrungen mit den ungefährlichen, nahrhaften Pflanzen gemacht hatte, bevor in den Gärten wieder etwas wuchs. Die Frau erklärte mir, sie sei zur Zeit des hungi kengi ein Kind im noch nicht ganz heiratsfähigen Alter gewesen. Da meine Reise nach Renneill Island 1976 stattfand und da der Wirbelsturm Sechsundsechzig Jahre zuvor, also um 1910 stattgefunden hatte, war die Frau vermutlich Anfang Achtzig. Nach dem Taifun von 1910 hatte sie nur deshalb überlebt, weil sie sich auf die Kenntnisse der betagten Überlebenden des letzten Sturms vor dem hungi kengi stützen konnte. Heute wären die Menschen bei einem weiteren Taifun auf ihre Kenntnisse angewiesen, die zum Glück sehr detailliert waren.
Solche Geschichten ließen sich endlos fortsetzen. Traditionelle Kulturen sind häufig kleineren Gefahren ausgesetzt, die einzelne Menschen bedrohen, und in seltenen Fällen gefährdet eine Naturkatastrophe oder eine Stammesfehde auch das Leben aller ihrer Mitglieder. Aber in einer kleinen traditionellen Kultur ist praktisch jeder mit jedem verwandt. Deshalb sind alte Menschen dort nicht nur für das Überleben ihrer eigenen Kinder und Enkelkinder unentbehrlich, sondern auch für die vielen hundert Menschen, die einen Teil ihrer Gene tragen.
Jede Gesellschaft, in der einige Menschen so alt sind, daß sie sich an das letzte Ereignis nach Art des hungi kengi erinnern können, hat eine bessere Überlebenschance als eine ohne diese Alten. Die alten Männer waren nicht den Gefahren der Entbindung und der Erschöpfung durch Stillen und Kinderpflege ausgesetzt, und deshalb entwickelten sich bei ihnen nicht die schützenden Wechseljahre. Aber alte Frauen, die nicht unfruchtbar wurden, verschwanden auf längere Sicht aus dem menschlichen Genrepertoire, weil sie weiterhin durch Geburten und Kinderpflege gefährdet waren. In Krisenzeiten wie beim hungi kengi hatte der Tod einer solchen alten Frau auch zur Folge, daß die Gene aller ihrer überlebenden Nachkommen aus dem Repertoire verschwanden – ein gewaltiger genetischer Preis für das zweifelhafte Privileg, trotz immer schlechter werdender Zukunftsaussichten ein oder zwei weitere Kinder zur Welt zu bringen. Diese Bedeutung der Erinnerungen alter Frauen für die Gesellschaft ist nach meiner Überzeugung eine der wichtigsten Triebkräfte hinter der Evolution der Wechseljahre.
Natürlich sind Menschen nicht die einzige Spezies, die in Gruppen von genetisch verwandten Individuen zusammenlebt und deren Überleben von erworbenem Wissen abhängt, das kulturell (das heißt nichtgenetisch) von einem zum anderen weitergegeben wird. So erkennen wir inzwischen, daß Wale höchst intelligente Tiere mit einem komplizierten Sozialleben und kulturellen Traditionen sind – ein Beispiel sind die Gesänge der Buckelwale. Das gilt vor allem für die Grindwale, die zweite Säugetierart mit gut belegter weiblicher Menopause. Wie die traditionellen Jäger und Sammler leben auch die Grindwale als »Stämme« (die man hier Herden nennt) mit 50 bis 250 Individuen. Wie sich in genetischen Untersuchungen gezeigt hat, ist jede Grindwalherde eigentlich eine große Familie, in der alle Individuen miteinander verwandt sind, denn weder Männchen noch Weibchen wechseln von einer Herde zur anderen. Ein beträchtlicher Anteil der Weibchen in einer Herde hat die Wechseljahre hinter sich. Die
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