Warum tötest du, Zaid?
andere Mächte mit dem Irak spielen, so leicht herein? Ihr seid auf die Lüge mit den Massenvernichtungswaffen hereingefallen, und jetzt fallt ihr auf die Lüge herein, dass die Selbstmordattentäter Iraker seien. Warum lasst ihr euch von der amerikanischen Propaganda so leicht an der Nase herumführen?«
Abu Saeed sagt dies ohne ein Zeichen äußerer Erregung, aber seine Stimme klingt resigniert. »Ihr habt keine Ahnung, was in unserem Land vorgeht«, fügt er hinzu.
Für ihn sei der getötete Al-Qaida-Chef Al-Sarkawi 8 , wenn auch ungewollt, ein Mann der USA gewesen. Er habe sich genau so verhalten, wie die amerikanische Führung sich einen Wunschgegner vorstelle: brutal, rücksichtslos, menschenverachtend. So habe Bush der amerikanischen Bevölkerung immer wieder erzählen können, vor diesen Leuten müsse er Amerika schützen. Aber der Jordanier Al-Sarkawi habe vor allem Iraker umgebracht. Warum schreibe niemand, dass dieser Mörder Ausländer war und gar kein Iraker?
Obwohl die Bevölkerung von Ramadi die amerikanische Besatzung nach wie vor geschlossen ablehne, hätten vor wenigen Wochen einige Stämme mit den Amerikanern eine Art Feuerpause vereinbart, um die ausländischen Al-Qaida-Terroristen aus der Stadt zu vertreiben. Das sei inzwischen weitgehend geschafft. Al-Qaida wollte Ramadi zu ihrer Hauptstadt machen. Dieser Versuch sei gescheitert.
Die Bevölkerung und der Widerstand hätten ihnen einfach jede Unterstützung entzogen. »Fische können, wie schon Mao Zedong erkannte, nur im Wasser leben. Wir haben ihnen das Wasser entzogen, wir haben sie trockengelegt. « 9 Im Frühjahr 2007 hätten die ausländischen Kämpfer von Al-Qaida schließlich Ramadi verlassen müssen.
Größere Kämpfe habe es hierbei nicht gegeben, lediglich einige lokale Gefechte der irakischen Polizei, des Widerstands und der amerikanischen Streitkräfte mit Al-Qaida. Diese Auseinandersetzungen würden jetzt in den Medien kräftig zu heldenhaften Schlachten aufgeblasen, wie etwa die angebliche Schlacht von »Donkey Island« 10 ,
bei der am 30. Juni 2007 nahe Ramadi rund 30 Al-Qaida-Kämpfer von US-Einheiten getötet worden waren. Das seien Schießereien gewesen, wie es sie im Irak leider jeden Tag gebe. Al-Qaida sei in Ramadi nicht im bewaffneten Kampf gescheitert, sondern weil sie durch ihre hemmungslose Brutalität die Achtung der Bevölkerung verloren habe.
Die Niederlage von Al-Qaida in Ramadi zeige, wie eines Tages der Friede im Irak wiederhergestellt werden könne. Sobald die amerikanischen Truppen das Land verließen, könne sich der irakische Widerstand im ganzen Land auf Al-Qaida und die über hundert Milizen vor allem radikal-schiitischer, aber auch einiger sunnitischer Politiker konzentrieren. Der Widerstand brauche dann nur wenige Wochen, um das Terrorismusproblem zu lösen. Die irakische Bevölkerung würde die Terroristen lieber heute als morgen aus dem Land jagen.
Ich schaue Abu Saeed skeptisch an, aber dieser ist sich seiner Sache völlig sicher. Die Vertreibung von Al-Qaida durch die Bevölkerung von Ramadi hat ihn sehr optimistisch gemacht.
Langsam fallen Abu Saeed die Augen zu. Auch ich werde immer müder. Im Auto ist es inzwischen unerträglich heiß geworden. Die Klimaanlage des in die Jahre gekommenen Chevrolet schafft es nicht mehr, die Außentemperatur von inzwischen 54 Grad auszugleichen. Ausgerechnet heute ist der bisher heißeste Tag des Jahres im Irak.
Abu Saeed schläft inzwischen tief. Auch seine Frau Aisha, seine Tochter Shala und der kleine Ali schlummern selig. Was würde ich dafür geben, jetzt ebenfalls schlafen zu können! Rings um uns herum Wüste, endlose Wüste. Eigentlich eine großartige Landschaft, wenn nicht immer wieder die Wracks ausgebrannter Autos an den Krieg erinnerten.
Ich denke zurück an meine beiden ersten Irakreisen 2002 und 2003, wenige Wochen vor dem Krieg. An die Schönheit des Landes und an die überbordende Gastfreundschaft, die mir die Iraker damals entgegengebracht hatten. An die angstvollen, manchmal fast flehenden Blicke, wenn sie mich fragten, ob dieser Krieg vielleicht nicht doch noch vermeidbar sei. An die stumme Resignation, wenn ich ihnen sagte, dass der Krieg wahrscheinlich längst beschlossene Sache sei, egal, wie der Streit um die Massenvernichtungswaffen ausgehe.
Ich denke an die Kinder von Bagdad und Mossul, denen unser Besuch kurz vor der Invasion Hoffnung gegeben hatte. Hoffnung, dass dieser Krieg, von dem alle sprachen, doch nur ein böser Traum
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