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Warum tötest du, Zaid?

Warum tötest du, Zaid?

Titel: Warum tötest du, Zaid? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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häufig auf engstem Raum zusammengepfercht. Im Gefängnis Dschadariya zum Beispiel seien zeitweise auf 200 Quadratmetern 180 Personen untergebracht worden. Sie hätten sich nur in Schichten zum Schlafen legen können, da es nicht genügend Platz für alle gegeben habe. Die sanitären Verhältnisse in den Gefängnissen seien unbeschreiblich.
    Widerstandskämpfer, die den amerikanischen Besatzern besonders unbequem seien, würden dem berüchtigten irakischen Innenministerium übergeben, das Gegner der Regierung gnadenlos verfolge. Dort würden sie fast immer gefoltert und viele von ihnen umgebracht. Ihre entstellten, nicht mehr identifizierbaren Leichen finde man alle paar Tage zu Dutzenden, manchmal zu Hunderten, an den Stadträndern von Bagdad, auf Müllplätzen und im Tigris.
    Er befürchte, dass man mit seinem ältesten Bruder genauso verfahren sei. Die amerikanischen Besatzer duldeten diese irakischen Hinrichtungen stillschweigend, weil ihnen die amerikanischen Gesetze nicht die Möglichkeit gäben, an irakischen Gefangenen selbst die Todesstrafe zu vollstrecken. Die USA hätten jedenfalls nie ernsthaft etwas dagegen unternommen.
    Als ich Zweifel an dieser Darstellung anmelde, wird Abu Saeed bitter. Mit leiser Stimme erzählt er, im Irak gebe es »weit über hundert amerikanische und irakische Guantánamos«. Das sei eine der vielen verborgenen Tragödien seines Landes. Das Rote Kreuz und Menschenrechtsorganisationen hätten darüber mehrfach ausführlich berichtet. Die westlichen Medien schienen sich dafür jedoch kaum zu interessieren.
Den Gefangenen in den Guantánamos h des Irak gehe es viel schlechter als denen auf der kubanischen Halbinsel.
    Unter den zigtausenden Gefangenen, die die Amerikaner meist nachts aus ihren Häusern geholt hätten, seien oft auch alte Menschen, Behinderte, manchmal sogar Kinder. Häufig würden sie wie Rashid in Zelten, in Frachtcontainern
oder in Latrinen untergebracht. Ihr Leben sei die Hölle.
    Auch Frauen würden häufig ins Gefängnis geworfen, weil man darauf spekuliere, sie würden, um wieder rauszukommen, Informationen über ihre Angehörigen preisgeben. In den amerikanischen und irakischen Gefängnissen komme es häufig zu Vergewaltigungen. Auch Männer würden vergewaltigt. Manchmal würden weibliche Gefangene gezwungen, bei der Vergewaltigung von Männern zuzusehen. Er könne mich in Amman oder in Damaskus mit Zeugen derartiger Abscheulichkeiten zusammenbringen. i Ein
bekannter irakischer Abgeordneter habe erst vor Kurzem öffentlich dargelegt, dass es allein im Jahr 2006 in amerikanischen und irakischen Haftanstalten 65 nachgewiesene Vergewaltigungen junger Frauen gegeben habe. 12 Die wirkliche Zahl sei wahrscheinlich erheblich höher.
    In den Guantánamos des Irak lernten die Iraker, dass sie in den Augen des Westens nichts wert seien. Viele seiner Freunde und auch er hätten die Worte des obersten amerikanischen Gefängnisaufsehers, General Geoffrey Miller, nicht vergessen, der gesagt habe, man müsse irakische Gefangene wie Hunde behandeln. Man dürfe ihnen nie erlauben zu glauben, sie seien etwas Besseres. 13
    Abu Saeed wendet sich ab und streichelt liebevoll den Kopf seines kleinen Sohnes. Er hat erkennbar keine Lust mehr weiterzureden. Vielleicht hat er recht: Was nützt es schon, wenn er darüber spricht und ich darüber schreibe?
    Nach einer langen Pause frage ich ihn noch einmal nach den Verlusten in seiner Familie. Abu Saeed, dieser gutmütige,
freundliche irakische Geschäftsmann, wird jetzt noch ernster. Er denkt lange nach, ob und was er mir berichten soll.
    Dann erzählt er, ohne sich umzudrehen, vier seiner Verwandten seien schon im Jahr 2003 kurz nach der Invasion von einem Hubschrauber aus erschossen worden. Sie seien am Euphrat, der mitten durch Ramadi fließt, spazieren gegangen. Der Pilot habe sie anscheinend verdächtigt, am Ufer Bomben vergraben zu wollen. Aber sie hätten nur einen Nachmittagsspaziergang unternommen.
    Abu Saeed blickt starr nach vorne. Offenbar will er nicht, dass ich sein versteinertes Gesicht sehe. Im April 2004 hätten amerikanische Flugzeuge – als Vergeltung für einen Angriff der Widerstandskämpfer – eine Bombe auf das Haus eines seiner Neffen geworfen. Er sei zusammen mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Kindern sofort tot gewesen.
    Im August 2005 habe man seinen Lieblingsonkel Ahmad von einem Humvee aus erschossen und dessen Sohn schwer verletzt. Den Leichnam Ahmads hätten die US-Truppen erst zwanzig Tage später

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