Warum tötest du, Zaid?
seltsamer »Kreuzzug«, den der amerikanische Präsident da angezettelt habe. Er sei genauso terroristisch wie die Kreuzzüge des Mittelalters. Mit wahrem Christentum habe das nichts zu tun.
Ebenso selbstverständlich, wie die Christen im Irak gegen den »Terrorismus« der »christlichen Besatzer« aus den USA kämpften, wehrten sich die Manichäer, die Sabier (Mandäer) und die Yeziden gegen die ausländische Besatzung. Auch Frauen kämpften im Widerstand. Außerdem entstehe zunehmend ein gewaltfreier politischer Widerstand wichtiger Gesellschaftsgruppen, etwa der Gewerkschaften, insbesondere der wichtigen Ölarbeitergewerkschaft.
Die Schwerpunkte des christlichen Widerstands seien Bagdad und Mossul. Auch die christlichen Widerstandskämpfer verurteilten Terror- und Selbstmordanschläge auf
Zivilisten scharf. Terrorismus sei unirakisch, unislamisch und unchristlich.
Wirklich freie Wahlen würden erst nach dem Abzug der Amerikaner stattfinden. Die bisherigen Wahlen im Irak seien alle gefälscht worden. Bei den Wahlen 2004 seien »aus Sicherheitsgründen« nicht einmal die Namen der Kandidaten bekannt gemacht worden. Es habe nur geschlossene Listen gegeben. Den Menschen sei gar nichts anderes übrig geblieben, als nach konfessioneller oder ethnischer Zugehörigkeit zu wählen.
Lastwagenweise seien ausgefüllte Wahlzettel aus dem Iran nach Bagdad gebracht worden. Es sei schon erstaunlich, dass sich im Westen niemand darüber gewundert habe, dass die Wahlergebnisse erst zwei Monate nach der Wahl bekannt gegeben worden seien. »Wie kann es sein, dass ihr solche Wahlen anerkennt, während ihr in Palästina so lange wählen lasst, bis die Regierung herauskommt, die euch passt?«
Saddam Hussein sei seiner Meinung nach ein zu harter Diktator gewesen. Aber die amerikanische Militärdiktatur, die seit der Invasion herrsche, sei im Vergleich dazu viel härter, brutaler und blutiger. »Wenn das Demokratie ist, dann könnt ihr eure Demokratie für euch behalten. Niemand im Irak hat es für möglich gehalten, dass der Westen im Namen der Demokratie hunderttausende irakische Zivilisten foltern, vergewaltigen, verstümmeln und töten würde.«
Außerdem sei eine Demokratie, in der das Volk in wichtigen Fragen hinters Licht geführt werde, keine wirkliche Demokratie. Und ein Rechtsstaat, der vorsätzlich das Völkerrecht breche, sei kein wirklicher Rechtsstaat. Dass der amerikanische Präsident erklärt habe, er handle als wiedergeborener Christ im Namen Gottes, mache ihn, Yussuf, krank. Schließlich sei er auch Christ.
Yussuf erhebt sich. »Sagen Sie Ihren Leuten in Deutschland, dass im Irak nicht nur Muslime gegen die USA kämpfen, sondern auch Christen. Wir wollen frei sein, frei von westlichen Besatzungstruppen und frei von westlichem Terrorismus. Auch wir Christen.« Er verneigt sich mit einem knappen Lächeln und lässt mich betroffen stehen.
Rami
Ich bin ziemlich erschöpft. Abu Saeed auch, trotz der zahllosen Gläser Tee, die er getrunken hat. Es ist viel zu heiß in dem Raum. Abu Saeed sieht, dass ich für heute genug gehört und gesehen habe und völlig übermüdet bin. Aber er meint, einen Untergrundkämpfer müsse ich mir noch anhören.
Er wartet die Antwort nicht ab, geht an die Tür und gibt mit seiner Hand wieder ein Zeichen. Wenige Augenblicke später sitzt mir Rami gegenüber, ein siebenundzwanzigjähriger, schlanker junger Mann mit kurz geschnittenem Haar und feinem Kinnbart.
Ramis Gesicht ist grau, um seine Mundwinkel liegt ein bitterer Zug. Tagsüber ist er Student der Geschichte an der Universität von Bagdad. Nachts ist er Widerstandskämpfer. Ich frage ihn, warum er im Widerstand kämpft, und seine Gesichtszüge werden noch bitterer. Mit leiser Stimme beginnt er zu erzählen:
Wenige Monate nach der amerikanischen Invasion hätten US-Soldaten das Haus seiner Familie gestürmt. »Säuberungsoperationen« nannten sie das. Sie hätten alles zusammengetreten, was ihnen in den Weg gekommen sei. Sie hätten nach ihm gesucht, weil ihnen irgendjemand gesagt habe, er arbeite für den Widerstand. Damals habe er
jedoch mit dem Widerstand noch nichts zu tun gehabt. Als die Soldaten ihn nicht fanden, hätten sie begonnen, Schränke aufzubrechen und das ganze Haus auf den Kopf zu stellen.
Seine Mutter habe sich weinend vor die Soldaten geworfen. Sie habe sie angefleht, das wenige, was ihre Familie besitze, nicht zu zerstören. Einer der Soldaten sei daraufhin einen Schritt zurückgetreten und habe seine Mutter
Weitere Kostenlose Bücher