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Warum tötest du, Zaid?

Warum tötest du, Zaid?

Titel: Warum tötest du, Zaid? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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»physisch« gut behandelt worden. »Psychisch« habe er sich jedoch gedemütigt gefühlt. Man habe ihn in eine zwei Quadratmeter kleine Zelle gesteckt und wie viele seiner Mitgefangenen gezwungen, nackt zu den Verhören zu gehen.
    Trotzdem empfinde er gegenüber den Amerikanern keinen Hass. Er kenne sie gar nicht. Er könne nicht sagen, ob sie gut oder schlecht seien. Er hasse nur das, was sie mit seiner Familie getan hätten, was sie mit seinem Volk anstellten, und er hasse das Chaos, in das sie sein Land gestürzt hätten.
    Die Todesschwadronen schiitischer Politiker könnten ihre Morde nur durchführen, weil die USA dies duldeten. Warum ich denn nur gegen Al-Qaida protestierte und nicht gegen die Morde der Amerikaner? Seine ermordeten Verwandten seien auch Zivilisten gewesen.
    Ich antworte nicht, und Rami fährt fort. Die Ernährungslage seiner Familie werde immer schlechter. Auch während der UN-Sanktionen sei die Ernährung unzureichend gewesen, jetzt aber sei sie zumindest für seine Familie katastrophal. Häufig lägen die Nahrungsmittelverteilstellen für Sunniten in Gegenden, die von schiitischen Milizen kontrolliert würden. Da müsse man dann wochenlang hungern.
    Das alles seien Gründe, warum er mit Al-Qaida für die
Befreiung des Irak kämpfe. Die USA hätten alles zerstört, was er liebe. Er habe sich diese Lage nicht ausgesucht, und er bezweifle, ob ich wirklich verstünde, wie sein Volk leide.
    Es sei leicht, edle Standpunkte über Widerstand und Terrorismus einzunehmen, wenn man selbst in Wohlstand und Frieden lebe. Er sehe um sich herum nur Not, Leid, Demütigung, Blut und Tod. Ob ich schon einmal darüber nachgedacht hätte, was in jungen Menschen vorgegangen sein müsse, dass sie keinen anderen Weg mehr sähen, als sich selbst in die Luft zu sprengen?
    Dann sagt auch er: »Hört auf, uns zu überfallen und zu demütigen. Haut ab aus unseren Ländern. Dann wird Al-Qaida von alleine verschwinden.« Abrupt dreht Rami sich um und verlässt den Raum.
    Schweigend bleibe ich mit Abu Saeed in dem düsteren Zimmer. Ich weiß, dass man mir in Deutschland vorwerfen wird, mit Al-Qaida-Leuten gesprochen zu haben. Dass sich manche Al-Qaida-Kämpfer für gemäßigt halten, wird nur wenige interessieren. Aber wie will man diesen terroristischen Wahnsinn bekämpfen, wenn man seine Motive nicht kennt und sich mit ihm nicht auseinandersetzt?
    Ist die Antiterrorpolitik des Westens in den letzten Jahren nicht gerade deshalb so erfolglos gewesen, weil die meisten Politiker sich nie ernsthaft mit dem Phänomen des Terrorismus beschäftigt haben? Der Baker-Hamilton-Report stellt sarkastisch fest, in den USA wisse man fast alles über die Sprengkörper, die gegen ihre Truppen eingesetzt würden. Über die Menschen, die sie zündeten, und über ihre Motive wisse man jedoch fast nichts.
    Als junger Richter war ich ein paar Monate lang »Berichterstatter« in einem Terroristenprozess gegen ein Mitglied der Rote-Armee-Fraktion. Ich habe einen wunderbaren väterlichen Freund, Hanns Martin Schleyer, durch
Terroristen verloren und in meiner Jugend einen späteren Terroristen persönlich gut gekannt. Ich habe mich lange und intensiv mit dem Terrorismusproblem auseinandergesetzt.
    Die Hauptursache des Terrorismus ist nicht Not oder Armut, sondern die totale Aussichtslosigkeit, einen als zutiefst ungerecht empfundenen Zustand mit legalen Mitteln beseitigen zu können. Gegen diesen Terrorismus hilft nur eine Strategie, die Härte mit Gerechtigkeit verbindet. Härte allein reicht nie. Ohne Gerechtigkeit kann man den Terrorismus nicht besiegen.
    Abu Saeed sieht, wie ich in Gedanken und Zweifeln versunken bin. »Lassen Sie uns gehen, und ärgern Sie sich nicht, dass Sie mit diesem Al-Qaida-Mann gesprochen haben. Wir müssen mit denen reden. Die Extremisten müssen wir besiegen und aus dem Land jagen, die Gemäßigten unter ihnen müssen wir umbiegen.«
    Draußen steht Zaid und sieht mich fragend an. Er hatte die ganze Zeit bei den Männern gesessen, die Abu Saeed für mich zusammengebracht hat. Ich sage ihm, dass die Gespräche sehr interessant gewesen seien. Ich hätte viel erfahren, könne aber manches nicht nachprüfen. Eigentlich hätte ich meinen Gesprächspartnern mehr Zeit widmen müssen, um das, was sie fühlten und täten, wirklich zu verstehen. Er müsse mir da jetzt weiterhelfen.
    Zaids Miene wird wieder abweisend. Es ist fast mit Händen zu greifen, dass er den schwierigsten Teil seiner Lebensgeschichte gerne für sich

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