Warum tötest du, Zaid?
christlichen Widerstandskämpfern 17 des Irak. Er kommt aus Al-Dourah, einem südlichen Stadtteil von Bagdad. Dort lebten einst mehr als 100 000 Christen zusammen mit etwa 250 000 Muslimen. Über die Hälfte der Christen sei vor dem Krieg und vor den Terroristen geflohen, meist nach Syrien, das für seine Christenfreundlichkeit bekannt sei. l Die Mehrheit
der zurückgebliebenen Christen unterstütze den Widerstand, erzählt er lächelnd.
Er sei nie Mitglied der Baath-Partei gewesen. Politik interessiere ihn nicht, und Saddam Hussein sei auch nicht sein Fall gewesen. Aber er könne nicht tatenlos zusehen, wie sein Land von ausländischen Truppen zerstört werde. Drei seiner ebenfalls christlichen Cousins seien von den Amerikanern getötet worden.
Eines Tages hätten amerikanische Soldaten um vier Uhr früh sein Haus gestürmt, alle Türen eingetreten und sein Auto in Brand geschossen. Seine Neffen hätten sie festgenommen und ins Gefängnis geworfen.
Die Christen, die er kenne, betrachteten sich in erster Linie als Iraker. Auch für ihn sei es ganz selbstverständlich, im irakischen Widerstand zu kämpfen. Bush sei für ihn so wenig Christ, wie Bin Laden für ihn echter Muslim sei. Wirkliche Christen und echte Muslime töteten keine wehrlosen Zivilisten.
Obwohl die überwiegende Mehrheit der angeblich konfessionell motivierten Anschläge auf »Import-Terroristen« zurückzuführen sei, seien gelegentlich auch Iraker an Anschlägen gegen Zivilisten beteiligt. Das könne niemand bestreiten. Aber Menschen, denen man jede Hoffnung nehme, seien ab einem bestimmten Punkt zu allem fähig. Manchmal fänden sie einfach keinen Ausweg aus dem
Teufelskreis der Gewalt. Das gelte aber nicht nur für Iraker, sondern für alle Völker.
Und dann zitiert er eine Bibelstelle, in der die Belagerung Samarias, der Hauptstadt des Königreichs Israel, geschildert wird. Dort hätten die Menschen in ihrer Not für eine Handvoll Taubenmist fünf Silberstücke gezahlt. Am Ende sei die Verzweiflung so groß gewesen, dass einige ihre eigenen Söhne getötet, gekocht und gegessen hätten.
»Buch der Könige«, sagt Yussuf sehr ernst. Auch an anderen Stellen des Alten Testaments werde vom Kannibalismus verzweifelter Menschen berichtet, die ihre eigenen Angehörigen erschlagen und verspeist hätten. Seinem Volk gehe es heute nicht viel anders als den Einwohnern des israelischen Samaria vor Tausenden von Jahren. Wir Westler sollten erst in unserer eigenen Geschichte nachlesen, bevor wir über andere Menschen den Stab brächen.
Yussuf schweigt lange. Dann fährt er fort, es gebe im Irak erheblich mehr christliche Widerstandskämpfer als Al-Qaida-Terroristen. Die Christen seien von ihren gemäßigten muslimischen Mitkämpfern nicht zu unterscheiden. Christen und Muslime im Irak gehörten zusammen und kämpften zusammen. Niemand im irakischen Widerstand interessiere sich dafür, ob sein Kampfgenosse Muslim oder Christ sei.
Iraks Christen waren eine der ersten christlichen Gemeinden im Orient. Vor der amerikanischen Invasion seien sie viel freier gewesen als heute. Selbst gemischte Ehen zwischen Muslimen und Christen hätten als normal gegolten. Heute sei das alles nicht mehr möglich.
Auch Christinnen müssten inzwischen Schleier tragen, weil die Invasion sunnitische und schiitische Extremisten nach oben gespült habe. Der Westen könne sich gar nicht vorstellen, welches Desaster die USA im einst säkularen Irak angerichtet hätten. Auch für die Christen.
Yussuf fährt fort: »Weil die meisten amerikanischen Besatzer Christen sind, werden wir irakischen Christen von Al-Qaida als Teil der Besatzung angesehen. Also verfolgen sie uns. Glücklicherweise finden unsere Leute häufig Zuflucht bei befreundeten muslimischen Familien. Umgekehrt nehmen christliche Familien immer wieder Muslime auf, die von den Besatzungstruppen verfolgt werden.« Als ich Yussuf erstaunt ansehe, lacht er und meint, eigentlich sei das doch ganz selbstverständlich.
Vor der Invasion hätten 1,5 Millionen Christen im Irak gelebt, häufig in führenden Positionen im Kabinett oder im diplomatischen Dienst, als Generäle oder als Besitzer von Hotels und florierenden Geschäften. Der stellvertretende Premierminister Tarek Aziz sei praktizierender Christ gewesen.
Jetzt gebe es nur noch 600 000 Christen, und denen gehe es verdammt »dreckig«. Unter Saddam Husseins Diktatur seien die Christen viel besser dran gewesen als unter der »Militärdiktatur« Bushs. Das sei schon ein
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