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Warum tötest du, Zaid?

Warum tötest du, Zaid?

Titel: Warum tötest du, Zaid? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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behalten würde. Ich frage ihn, was er von Al-Qaida halte. »Die ausländischen Al-Qaida-Kämpfer sind Mörder«, sagt er. »Sie sind für den Irak so schlimm wie die Amerikaner. Wir müssen sie genauso aus dem Irak vertreiben.« Schweigend fahren wir nach Al-Dschasira zurück.

    Freudenfeier in Ramadi
    Zu Hause bei Abu Saeed sitzt die ganze Familie wieder vor dem Fernseher. Die irakische Fußballnationalmannschaft hat inzwischen ihren Triumphzug durch mehrere Nachbarländer des Irak angetreten. In Dubai und in Jordanien wird sie von tausenden Exilirakern umjubelt.
    Zum hundertsten Mal werden die Tore gezeigt, die sie ins Endspiel brachten, und wieder und wieder der Siegtreffer. Obwohl das Finale schon vor fünf Tagen stattgefunden hat, können sich Abu Saeeds Familie und seine Verwandtschaft an diesem Ereignis nicht sattsehen. Auch Zaid schaut immer wieder auf die Bilder des ersten und einzigen internationalen Triumphs der Iraker seit Jahren.
    Die irakische Regierung, von der man nicht richtig wisse, ob sie mehr von den USA oder mehr vom Iran gesteuert werde, habe es nie geschafft, die Menschen zum Lächeln zu bringen, sagt Zaid. Aber diese Fußballmannschaft habe die Herzen aller Iraker mit Freude erfüllt und auf alle Gesichter, auch auf die traurigsten, ein Lächeln gezaubert.
    Als der Schiedsrichter das Spiel abgepfiffen habe, sei ganz Ramadi auf die Straßen geströmt. Tausende hätten in den Straßen getanzt, gesungen und gefeiert. Entgegen aller Tradition seien in Ramadi allerdings keine Freudenschüsse abgefeuert worden. Das sei dann doch etwas zu gefährlich gewesen. Wer wisse schon, ob die Amerikaner nicht wie in Afghanistan bei Hochzeitsfeiern zurückgeschossen hätten?
    Auch die irakische Polizei und die irakische Armee hätten mitgefeiert. Als eine amerikanische Humvee-Patrouille gekommen sei, hätten die Menschen mit Zustimmung der irakischen Polizei die Straße blockiert. Ein amerikanischer Humvee-Fahrer sei ausgestiegen und habe begonnen mitzutanzen.
Daraufhin habe ein kleiner Junge eine am Boden liegende Melonenschale genommen und sie ihm an den Kopf geworfen. Der Amerikaner sei ganz schnell wieder in seinen Humvee gestiegen. Das sei ihr Fest gewesen, lacht Zaid, und nicht das Fest der Amerikaner.
    Ich frage ihn nach seinem Lieblingsspieler unter den Fußballspielern der Welt. Blitzschnell kommt die Antwort: »Zinedine Zidane. Er ist der Größte, und er ist Araber und Muslim.« »Und der Kopfstoß im WM-Finale zwischen Frankreich und Italien?« Das habe ihm zuerst gar nicht gefallen. Seinen Freunden auch nicht. Aber als er erfahren habe, dass der italienische Spieler Materazzi angeblich Zidanes Mutter und seine Schwester beleidigt und ihn einen arabischen Terroristen genannt habe, hätten er und seine Freunde alle wieder mit Zidane sympathisiert.
    »Wissen Sie«, sagt Zaid, »manchmal ist es einfach genug. Da reicht schon ein kleiner Tropfen, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Das, was Materazzi mit Zidane gemacht hat, macht der Westen jeden Tag mit uns Arabern.« Für ihn habe der Kopfstoß Zidanes symbolische Bedeutung. »Aber das versteht ihr im Westen ja sowieso nicht.«
    Die Frauen des Hauses haben draußen auf dem Rasen wieder ein köstliches Mahl vorbereitet. Es ist 22 Uhr. Schweigend genießen wir das Essen. Zaid wird heute Nacht bei uns bleiben. Wir sitzen noch lange zusammen und diskutieren. Aber nicht über Politik und Kriege, sondern über Fußball. Und Zaid ist plötzlich wieder ein sorgloser, fröhlicher Junge, wie Millionen anderer Jungen auf der Welt, wenn sie sich über Fußball die Köpfe heißreden.
    Als ich mich endlich auf meiner Schaumstoffmatratze ausstrecken kann, ist es ein Uhr morgens. Abu Saeed, Abu Hamid und Zaid spielen noch Domino. Ansonsten ist alles wie gehabt: Wie immer ist der Strom ausgefallen,
wie immer haben die beiden amerikanischen Hubschrauber das Haus Abu Saeeds mehrfach überflogen, wie immer zieht eine amerikanische Aufklärungsmaschine über dem sunnitischen Dreieck ihre Kreise. Wie immer funkelt über uns ein prächtiger Sternenhimmel, schimmert der Mond durch die hohen Palmenwipfel, und wie immer freue ich mich auf fünf köstliche Stunden tiefen Schlafs – Inshallah!
    Zaids Brüder
    Leider bringe ich es nur auf vier Stunden. Um fünf Uhr weckt mich der Gebetsruf des Muezzin. Ich will mich noch einmal umdrehen, aber Abu Saeed bittet mich, gleich aufzustehen. Er wirkt angespannt. Wir müssten spätestens um zehn Uhr aus dem Haus. Wenn ich heute

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