Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warum tötest du, Zaid?

Warum tötest du, Zaid?

Titel: Warum tötest du, Zaid? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
Schreckliches sei, über den Tod junger amerikanischer Soldaten zu entscheiden.
    Zaid beißt die Zähne zusammen. Die amerikanischen Soldaten hätten sich auch keine Gedanken gemacht, als sie seine Brüder gezielt erschossen hätten, erwidert er. Er wisse, dass in Amerika viele Menschen gegen diesen Krieg seien. Aber sie hätten Bush trotz seiner Lügen, trotz hunderttausender toter Iraker und vieler toter amerikanischer Soldaten wiedergewählt.
    Es wisse, dass es auch in Ramadi anständige amerikanische Soldaten gebe. Viele seien gegen den Krieg. Einmal hätten amerikanische Soldaten einen jungen Iraker festgenommen und schlimm zusammengeschlagen. Ein amerikanischer Offizier habe sich jedoch dazwischengeworfen. Er habe den irakischen Jungen in sein kleines Büro geführt und dessen Wunden gereinigt, desinfiziert und verbunden. Diesen Offizier würde er gerne einmal treffen, wenn Friede sei. Aber jetzt sei Krieg. Er hoffe, dass diesem Amerikaner nie etwas zustoße.
    Das Wichtigste, worauf er bei den Anschlägen immer achte, sei, dass keine Zivilisten verletzt oder getötet würden. Das Leben von Zivilisten sei ihm heilig. Selbst wenn
er das gesamte Hauptquartier der US-Armee in Ramadi in die Luft sprengen könnte – er würde es nicht tun, wenn dadurch auch nur ein einziger Zivilist getötet würde.
    Zivilisten zu töten sei das größte aller Verbrechen. »Einen unschuldigen Menschen zu töten ist schlimmer, als hundertmal die Kaaba in Mekka zu zerstören.« Er habe nie Zivilisten verletzt oder getötet und werde das auch nie tun. Auch Zivilisten anderer Länder oder Religionen werde er nie töten. Der Koran verbiete das ausdrücklich.
    Dieser Punkt scheint Zaid unendlich wichtig zu sein – und er war bei fast allen meinen irakischen Gesprächspartnern zentrales Thema. Zaid spricht darüber sehr klar, sehr entschieden und sehr ernst. Er sei Widerstandskämpfer und kein Terrorist.
    Was er tue, sei Notwehr, und das müsse erlaubt sein. Er werde nicht warten, bis die Amerikaner auch noch seine Schwestern und seine Eltern töteten. Ab einem bestimmten Zeitpunkt sei Widerstand nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht. Das sei ihm spätestens nach dem Tod seines zweiten Bruders klar geworden. Er müsse diesen Weg jetzt zu Ende gehen, bis die Amerikaner das Land verließen.
    Ganz ruhig fügt Zaid hinzu: »Sie würden auch nicht tatenlos zuschauen, wenn man vor Ihren Augen Ihre Geschwister erschießt. Niemand auf der Welt würde tatenlos zuschauen.«
    An einem Tag im April 2007 gehen Zaid und vier Mitglieder seiner Gruppe nachts zu einer vorher ausgekundschafteten Stelle der Ishrin-Straße, der 20. Straße. Noch vor dem Morgengebet graben sie am Straßenrand ein Loch, platzieren den Sprengkörper und schütten das Loch sorgfältig wieder zu. Dann streuen sie Sand über die Stelle.
    Bei dem Sprengkörper handelt es sich um eine sogenannte Nimsawiya-Granate. »Nimsawiya« heißt »österreichisch«, weil diese Granate ursprünglich für ein in Österreich
gebautes Geschütz hergestellt wurde. Die im Irak nachgebauten Granaten sind ungefähr sechzig Zentimeter lang und haben einen Durchmesser von siebzehneinhalb Zentimetern.
    Zaid stellt sich etwa hundert Meter entfernt hinter eine Steinmauer. Von dort kann er die Stelle, an der sie die Bombe vergraben haben, gut überblicken. Dann wartet er auf den Militärkonvoi, der jeden Morgen an dieser Stelle über die 20. Straße fährt.
    Zaid muss zwei Stunden warten. Diese Stunden kommen ihm wie eine Ewigkeit vor. Dann plötzlich, es ist 7.30 Uhr, erblickt er in der Ferne den ersten sandfarbenen Humvee.
    Er weiß, in etwa einer Minute muss er auf die kleine, sechs mal vier Zentimeter große Fernbedienung drücken, die er selbst zusammengebaut hat. Wie in Zeitlupe – so empfindet es Zaid – nähern sich die Humvees der vorgesehenen Stelle. Zaid hat sie sich genau eingeprägt.
    Für einen Augenblick sieht er vor seinem geistigen Auge die Gesichter junger amerikanischer Soldaten, die behelmt in ihren gepanzerten Humvees sitzen und natürlich wissen, dass sie gerade auf der gefährlichsten Straße Ramadis fahren. Wahrscheinlich haben sie genauso viel Angst wie er, irgendwann in diesem völlig verrückten Krieg zu sterben. Vielleicht muntern sie sich gerade mit Scherzen auf und machen sich gegenseitig Mut.
    Aber nur einen Augenblick denkt Zaid an die amerikanischen GIs. Dann sieht er wieder Haroun und Karim in seiner großen Blutlache vor sich. Er erinnert sich, wie ihn seine

Weitere Kostenlose Bücher