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Warum tötest du, Zaid?

Warum tötest du, Zaid?

Titel: Warum tötest du, Zaid? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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suchen.«
    Zaid ist aufgestanden und verlässt den Raum. Abu Saeed und ich schauen uns schweigend an. Der kleine Ali kommt mit seinem zerknautschten Ball zu mir. Er will wieder mit mir spielen. Aber das kann ich jetzt wirklich nicht.
    Aisha
    Plötzlich steht Aisha, Abu Saeeds Frau, neben uns. Sie hat gesehen, wie Zaid kreidebleich und angespannt aus dem Raum gegangen ist. Offenbar hat sie Teile des Gesprächs mitgehört. Sie redet mit ihrer wunderbar sanften Stimme ganz ruhig auf mich ein. Aber Abu Saeed übersetzt nicht, sondern versucht, seiner Frau klarzumachen, dass die Diskussion mit Zaid Männersache sei.
    Liebevoll, aber bestimmt erklärt Aisha Abu Saeed, dass er sich irre und bitte übersetzen möge. Dieser Krieg gehe sehr wohl auch die Frauen etwas an. Schließlich seien sie die Mütter dieser Widerstandskämpfer. Wie so oft gibt Abu Saeed nach und übersetzt.

    Aisha beginnt leise: »Ich bin mit Amira, der Mutter von Zaid, gut befreundet. Wie Sie wissen, habe auch ich fünf Kinder. Wir sprechen oft über unsere Familien. Zaids Mutter weint viel, seit sie Haroun und Karim verloren hat. Sie hat Angst um Zaid. Er ist jetzt ihr letzter Sohn. Sie fürchtet, dass man ihn eines Tages genauso erschießen wird wie seine Brüder.
    Sie sorgt sich, dass Zaid innerlich zerbricht. Zaid hat nach dem Tod von Karim wochenlang kaum etwas gegessen und kaum gesprochen. Er ist ein völlig anderer Mensch geworden, traurig und verschlossen. Früher war er ein fröhlicher Junge, jetzt lacht er kaum noch. Nachts hat er Albträume und wacht oft schreiend und schweißgebadet auf.«
    Aisha fährt fort: »Zaid sieht vielleicht äußerlich wie ein Mann aus, aber in Wirklichkeit ist er ein Kind, das mit dem Verlust seiner Brüder, mit dem Kampf im Widerstand und mit der Not der Menschen in Ramadi nicht zurechtkommt. Zaid hat in seinem ganzen Leben nur Krieg und Not erlebt – bis 1988 den Krieg mit dem Iran, dann den Golfkrieg 1991, die Wirtschaftssanktionen und schließlich den Krieg seit 2003. 26 Immer hat er Erwachsene und Kinder sterben sehen, am Krieg und am Hunger. Es hat nicht viele sorglose Stunden in seinem Leben gegeben.
    Mein kleiner Sohn Ali hat mit seinen vier Jahren auch nur Krieg gesehen. Was wird aus ihm werden? Was, wenn auch sein Vater oder seine Geschwister irgendwann von den Amerikanern umgebracht werden? Jeder weiß doch, dass der Krieg in Ramadi weitergehen wird. Wird Ali davonlaufen, oder wird er Widerstandskämpfer? Was soll ich ihm raten, wenn er eines Tages kämpfen will? Soll ich ihm sagen, dass das nicht weiterführt? Was sollen wir Mütter unseren Kindern sagen?
    Können Sie Ihren amerikanischen Freunden nicht klarmachen,
dass sie endlich aufhören sollen, unsere Kinder vor diese schreckliche Alternative zu stellen – entweder tatenlos der Ermordung ihrer Familien zuzusehen oder selbst zu töten? Können Sie ihnen nicht sagen, dass sie diesen Krieg beenden sollen, der ihre jungen Soldaten und unsere Söhne tötet – sinnlos tötet? Wir können alle nicht mehr. Es gibt kaum noch Mütter im Irak, die nicht um ihre Söhne, ihre Kinder weinen. Was haben wir den Amerikanern getan?«
    Aisha ist blass geworden. Abu Saeed nimmt sie in den Arm. »Ich sage das nicht gegen Sie«, fügt Aisha leise hinzu. »Aber vielleicht können Sie wenigstens etwas helfen. In Ihrem Land und in Amerika muss es doch Mütter geben, die auch uns, die irakischen Mütter, verstehen.« Dann geht sie leise weinend nach draußen.
    Ich brauche ein paar Minuten, um das, was Aisha vorgetragen hat, zu verarbeiten. Abu Saeed auch. Wir gehen schweigend in den Garten. Die Jungs haben bereits mit dem Abendessen begonnen. Wer weiß, wann es wieder so etwas Gutes gibt.
    Nach dem Essen verrichten die Männer ihr Nachtgebet. Ich stelle mich diesmal neben sie und bete mit – mein eigenes Gebet. »Allahu akbar – Gott ist groß.« Wenn es einen Gott gibt, woran ich fest glaube, macht er bestimmt keinen Unterschied zwischen Muslimen, Juden und Christen. Ich bitte Allah, Jahwe, Gott, den Menschen im Irak zu helfen und ihnen Frieden zu schenken. Ich danke ihm, dass wir im Westen in Frieden leben dürfen. Womit wir das verdient haben, weiß ich nicht. Allahu akbar!
    Gegen ein Uhr lege ich mich auf meine Matratze. Ich weiß, dass ich heute Nacht nicht gut schlafen werde. Ich werde an Zaids Brüder Haroun und Karim denken, aber auch an jenen Tag im April 2007, an dem sich Zaid zum ersten Mal an einem Anschlag beteiligte. Ich werde an die
vielen amerikanischen

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