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Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Titel: Was allein das Herz erkennt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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sei er zur Salzsäule erstarrt.

    *

    Der erste Schritt bestand darin, den besten Arzt zu finden, den es gab. Maurice Pilote empfahl einen Augenspezialisten in Montreal, doch als May dort anrief, war dieser gerade in Urlaub. Martin war ihr keine Hilfe: Er wollte weder darüber reden noch daran denken. Da sie sich keinen anderen Rat wusste, schlug sie im Branchenverzeichnis nach, aber woher sollte sie wissen, wer gut war?
    »Völlig überflüssig«, sagte er. »Ich werde Augentraining machen. Mein Sehvermögen auf diese Weise verbessern.«
    »Martin, können wir deinen Mannschaftarzt anrufen und fragen, ob er uns jemanden empfehlen kann?«
    »Wozu? Augen sind ein Teil des Körpers wie jeder andere. Verletzungen muss man ausheilen lassen. Ich mache ein Spezialtraining für meine lädierten Knöchel und Knie, und jetzt suche ich mir eben jemanden, der ein Augentraining mit mir macht.«
    May starrte auf die Fülle der Eintragungen im Branchenverzeichnis, bis auch ihr die Buchstaben vor den Augen verschwammen. Martin und sie sahen das Problem auf zwei verschiedene Weisen. Aber sie musste ihn dazu bringen, so schnell wie möglich einen Spezialisten aufzusuchen, Augentraining hin oder her!
    »Ich könnte Genny anrufen. Vielleicht kennt sie einen guten Arzt oder weiß, an wen man sich wenden kann.«
    »Kommt nicht in Frage, May!«, erwiderte Martin brüsk. »Ich will nicht, dass irgendjemand erfährt, dass ich ein Problem habe. Dann pfeifen es bald die Spatzen von den Dächern.«
    »Martin, Genny kann schweigen wie ein Grab! Wir sind Freunde. Wir müssen es den beiden sagen –«
    »Nein!«, brüllte Martin so laut, dass sie erschrak.
    Sie starrte ihn wortlos an. Er schüttelte den Kopf, rang um Fassung. Dann kam er herüber, nahm neben ihr auf dem Sofa Platz und schloss sie in die Arme. »Es tut mir Leid«, flüsterte er zerknirscht an ihrem Ohr. »Es tut mir Leid, May. Ich wollte dich nicht anschreien. Aber ich möchte nicht, dass irgendjemand etwas erfährt, bevor die Sache spruchreif ist. Das gilt auch für Ray und Gen.«
    »Sie würden nichts verraten. Wir können ihnen vertrauen.«
    »Ich weiß. Aber lass uns abwarten, bis ich bei einem Spezialisten war, mein Augentraining gemacht habe oder was auch immer er mir rät. Das wird schon wieder.«
    Er deckte sein rechtes Auge ab und blickte mit dem linken vom Fußboden zur Decke. Er kniff das Auge zusammen, blinzelte, versuchte es abermals, als könnte er das linke Auge durch reine Willenskraft zwingen, zu funktionieren.
    »Ich schaffe es. Ich weiß, dass ich es schaffe. Bis zum Saisonbeginn ist wieder alles im Lot.«
    May sah zu Boden.
    »Ganz bestimmt«, sagte er, umarmte sie und strich ihr über das Haar, als sei sie verletzt und brauche Trost. Oder als befürchte er, ihre Liebe zu verlieren, wenn er nicht mehr Eishockey spielte.
    »Saisonbeginn.« Sie dachte an das Training im August und September, an das erste Spiel am ersten Oktober.
    »Sag also niemandem etwas bis dahin, ja?«
    »Jemand muss auf Kylie aufpassen, wenn ich mit dir zum Arzt fahre.«
    »Ich möchte nicht, dass Genny und Ray es wissen.«
    May starrte auf das Telefon und überlegte krampfhaft, wie sie sich informieren und einen guten Spezialisten aus dem Branchenverzeichnis herauspicken könnte, als ihr plötzlich eine Idee kam.
    »Ich glaube, ich kenne da jemanden.« Sie griff nach dem Hörer.
    »Wen?«
    »Eine Augenärztin in Boston. Sie ist bekannt, fast schon berühmt. Sie muss inzwischen ziemlich alt sein, aber – ich würde gerne herausfinden, ob sie noch praktiziert. Dr. Theodora Collins.«
    »Und woher kennst du sie?«
    »Sie war eine der Bräute, für die meine Mutter gearbeitet hat«, sagte May.
    *

    Dr. Theodora Collins hatte eine Praxis in ihrem Haus auf dem Gipfel des Beacon Hill, ganz in der Nähe, mit Blick auf den Public Garden und die gesamte Back Bay von Boston. Die Cartiers waren sofort nach Haus geflogen und hatten Kylie bei Tobin und Tante Enid abgeliefert. Es war ein heißer Tag, und in der Sonne wirkten die roten alten Backsteingebäude im Kolonialstil wie ausgetrocknet. Doch auf der Kuppe des Hügels ging ein leichter Wind, in dem sich die Fahnen sanft bewegten.
    Martin saß im Wartezimmer, schweißgebadet. Die Klimaanlage lief, aber er spürte, wie Schweißtropfen zwischen seinen Schulterblättern hinabrannen. Beim Rasieren heute Morgen hatte er sich an vier Stellen geschnitten. Im Hochsommer nach Boston zu kommen war der helle Wahnsinn. Er wollte keinen einzigen Tag

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