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Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Titel: Was allein das Herz erkennt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Seite des Bootes und sie kamen haarscharf an dem knorrigen Wurzelgeflecht einer alten Kiefer vorbei. Als sie weiterfuhren, sahen sie eine Rotwildfamilie zur Insel schwimmen. May hörte, wie Kylie lachte und Martin beschrieb, was sie sah: »Vater, Mutter und zwei Rehkitze.«
    »Du bist mein Rehkitz«, erwiderte Martin.
    »Natalie und ich.«
    »Das stimmt. Du und Nat.«
    An den Fischgründen angekommen, half Martin Kylie beim Befestigen des Köders. Sie warf die Angel aus, absolut sicher, dass sie heute die große alte Forelle fangen würde. Martin bedeutete May, vor ihm auf der Ruderbank Platz zu nehmen. Sie war nie eine passionierte Anglerin gewesen, aber es gefiel ihr, wie er von hinten die Arme um sie legte und ihr zeigte, wie man Leine nachlässt und die Rute auswirft.
    »Du musst sie in hohem Bogen auswerfen. Die Fliege, die wir als Köder verwenden, soll der echten Nahrung der Fische täuschend ähnlich sein.«
    »Und was fressen Fische?«, fragte May.
    »Schwarze Fliegen, oder?«
    »Richtig, Kylie. Der Urgroßvater wartet schon darauf.«
    Sie nickte, legte den Kopf schief. May überlegte, ob ihre Tochter lauschte, ob sie den Fisch wieder zu hören meinte. Das blaue Notizbuch war seit dem Abend, als die Träume und Stimmen verschwanden, unbenutzt geblieben. Kylie hatte keine neuen Visionen gehabt, und seltsamerweise vermisste May sie.
    Sie dümpelten auf dem See vor sich hin. Als die Sonne höher stieg, zogen sie ihre Kappen tiefer in die Stirn. May vergaß ihre Sorgen, ließ sie ziehen mit dem Wasser, das sanft die grauen Felsen umspülte, und wünschte sich, dieser herrliche Sommertag möge nie enden. Als sie das mitgebrachte Mittagessen verzehrten, wurde das Licht diesig, die Luft nahm einen goldenen Schimmer an, der die Cartiers mit ihrem Zauber umfing und mit Hoffnung erfüllte.
    Kylie fing zwei kleine Forellen und Martin drei. Sie warfen alle ins Wasser zurück. Als Martin nach Hause zurückruderte, hatte May das Gefühl, alles sei wieder im Lot: Er konnte rudern, Auto fahren, Schlittschuh laufen.
    »Felsen voraus, auf der rechten Seite!«, rief Kylie. Und gleich darauf: »Toll, wie der Seetaucher Fische fängt!«
    Vielleicht besaß der Lac Vert wirklich Heilkräfte. Vielleicht war ein Wunder in dem himmlischen goldenen Licht geschehen und Martin würde wieder sehen. Sie würden noch viele, viele Angelausflüge in den kommenden Sommern erleben. Sie würden im Winter auf dem See Schlittschuh laufen und sich fragen, ob die Urgroßvater-Forelle im Schlamm unter ihnen schlief.
    Doch zu Hause angekommen, war es aus mit dem Gefühl des Friedens und der Abgeschiedenheit. Das Telefon läutete, und May lief hin.
    »Hallo?«
    »Hallo May. Jacques Dafoe am Apparat.«
    »Oh, hallo Coach.« Einen Moment lang befürchtete sie, er habe Wind von Martins Besuch bei Dr. Theodora Collins bekommen, aber dafür war sein Tonfall zu locker. Sie tauschten Nettigkeiten über den Sommer, die Kinder und die Eishockeysaison aus, die sich rasch näherte. Martin stand neben ihr, wartete darauf, dass sie ihm den Hörer reichte, und ihr war elend zumute, als sie die Anspannung ihres Mannes spürte. »Ich gebe weiter an Martin.«
    »Hallo Coach. Ça va? «
    Während Martin telefonierte, packte May den Picknickkorb aus. Sie spülte die Thermoskannen und Plastikbehältnisse aus, legte die unangetasteten Pfirsiche und Weintrauben in den Kühlschrank. Martin schien mehr zuzuhören als zu reden, und Mays Herz begann zu klopfen. Als Martin auflegte, lehnte er den Kopf an die Wand und schwieg.
    »Martin, was ist?« Sie hatte Angst vor seiner Antwort.
    »Der Coach wollte, dass ich es von ihm erfahre«, sagte Martin schließlich. »Er beruft eine Mannschaftsbesprechung ein; wir treffen uns nächsten Dienstag, mit unserem neuen Goalie.«
    »Du meinst, ihr habt einen neuen Torhüter?« May runzelte die Stirn und dachte an Martins Freund Bruno, der in den letzten sieben Jahren Torhüter der Bruins gewesen war.
    »Das Management hat Bruno plus zwei weitere Spieler, die noch im Kommen sind, gegen ihn eingetauscht. Unser neuer Goalie ist ein Schwergewicht, hat bereits zweimal den Stanley Cup gewonnen. Nils Jorgensen.«
    »Das ist doch ein Scherz!«
    »Mit so etwas mache ich keine SCHERZE!«, brüllte er und hämmerte mit solcher Wucht gegen die Wand, dass er mit der Faust die Holzpaneele durchschlug. Thunder, der auf seinem Stammplatz unter dem Küchentisch gelegen hatte, bellte. Kylie stand mit offenem Mund daneben, beide Hände gegen die Tür hinter

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