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Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Titel: Was allein das Herz erkennt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Staub zu machen«, schrie Martin ihm zu. Sein Herzschlag war gut und regelmäßig. Er fühlte sich auf dem Eis zu Hause, das Schlittschuhlaufen war seine große Liebe, und der Stock in der Hand gab ihm Selbstvertrauen. Er würde weder über jemanden stolpern noch das Tor verfehlen.
    »He Martin!«, rief Ray und Martin folgte dem Klang seiner Stimme.
    »Was ist?«
    »Setz die verdammte Gesichtsmaske auf.«
    »Was bist du, meine Mutter?«
    »Nein, das Bemuttern hat May übernommen. Sie ist oben auf der Tribüne und schaut zu. Aber setz sie trotzdem auf –«
    »Sie ist hier?«
    »Ja, sieht dir zu, von den Rasiersitzen aus.«
    Martin war froh darüber, auch wenn er es sich nicht anmerken ließ. Er hatte das Gefühl, einen Wendepunkt erreicht zu haben, als sei es das letzte Mal, dass er auf dieser Eisbahn Schlittschuh lief. Es war nur recht und billig, dass seine Frau dabei war, falls es seine Abschiedsvorstellung sein sollte. Ray lief zu ihm, um ihm die Gesichtsmaske zu bringen, und Martin setzte sie sorgfältig auf.
    Ray drückte auf die Stoppuhr. Martin Cartier und Nils Jorgensen hatten zehn Minuten, um zu zeigen, wer der Beste war. Wenn Martin auch nur ein Tor gelang, hatte er gewonnen. Wenn der Goalie sämtliche Torschüsse hielt, ging er als Sieger aus dem Duell hervor, ähnlich wie im Fußball beim Elfmeterschießen.
    Gefährlich in gleich welcher Position auf dem Eis, übertraf sich Martin Cartier heute selbst, glich einem Scharfschützen. Er feuerte seine Schüsse wie Kanonenkugeln innerhalb der blauen Linie ab, hielt Jorgensen fortwährend auf Trab. Jorgensen brauchte vollen Körpereinsatz, um den Puck abzuwehren, und Martin war wild entschlossen, das Goldene Tor zu erzwingen. Die erste Minute war ein einziges, rasantes Hin und Her. Martin griff immer wieder an. Zweimal schlenzte er die Scheibe, versetzte sie in eine Drehbegung, direkt in Richtung Jorgensens Kopf, und beide Male wurde sie gehalten.
    Er hörte Mays anfeuernde Rufe von der Tribüne.
    Martin stählte sich, wirbelte über die rote Linie. Sein Herz hämmerte, er erinnerte sich an das Training mit seinem Vater, als er den ganzen Tag bis zum Einbruch der Dunkelheit Penalty shots geübt hatte. So war es auch jetzt, im hellen Bostoner Eisstadion, wo schwarze Schatten ihm die Sicht nahmen. Er rutschte weg, wäre beinahe vom Eis abgekommen.
    »Du schaffst es!«, brüllte May.
    »Los, zeig, was du kannst!«, höhnte Jorgensen.
    Martin dachte an seinen Vater, der auf dem Bergsee das Gleiche gesagt hatte: Los, zeig, was du kannst. Sein Vater hatte ihm alles beigebracht, was man über Kampfgeist wissen musste. Hockey war ein blutiger Sport, der die besten Freunde, Vater und Sohn in erbitterte Feinde verwandeln konnte, wenn sie der gegnerischen Mannschaft angehörten.
    »Na los, komm schon!«, knurrte Jorgensen, und dieses Mal dachte Martin an ihren schlimmsten Kampf, Jorgensens Stock an seinem Auge, die zerschmetterte Augenhöhle. Er spürte das Brüllen tief in seinen Eingeweiden aufsteigen, bevor es aus seinem Mund hervorbrach, als er über das Eis raste.
    Martin Cartier preschte vor wie eine Rakete, mit beispielloser Geschwindigkeit, und holte blind und mit voller Wut aus. Er sah das Tor nicht, aber als er den Puck abfeuerte, spürte er, dass er ins Schwarze getroffen hatte.
    »Tor!«, brüllte Ray Gardner im Bruchteil von Sekunden, nachdem der Puck an Jorgensens Handschuh vorbeizischte und im Netz landete. Die wenigen Zuschauer brachen in Jubelrufe aus und Mays Stimme war lauter als alle anderen.
    Grinsend streckte Martin die Faust in die Luft. Sein Stock wedelte hin und her und er hörte am Klicken, wie seine Teamkameraden auf Schlittschuhen kamen, um ihm zu gratulieren. Als sie ihn umringten, verspürte er einen Anflug von Panik, weil er nichts sah. Sie schüttelten ihm die Hand, boxten ihm anerkennend in die Schulter.
    Er beugte sich vornüber, schützte sich vor dem, was er nicht sehen konnte. Ray umarmte ihn stürmisch, dann brauste er davon. Die anderen Spieler fuhren im Zickzack auf ihn zu, Fäuste berührten seine, um das Siegeszeichen zu machen. Martin fühlte sich benommen von dem Wirbel, der ringsum herrschte, und spürte am Adrenalinstoß, dass sich Jorgensen näherte. Mit einem Mal erstarb jede Bewegung und Martin spürte, dass Jorgensen auf etwas wartete.
    »Was ist? Weißt du immer noch nicht, wie man sich benimmt? Kein Handschlag, nichts? Was willst du denn noch? Du hast gewonnen! Ist es das, was du hören möchtest?«
    Martin hörte ihn,

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