Was allein das Herz erkennt (German Edition)
waren. »Das ist es, was für mich die Ehe ausmacht«, sagte sie. »Ich glaube, dass zwei einzelne Menschen, die zusammengehören, ein harmonisches Ganzes bilden. So empfinde ich es bei Martin und mir.«
»Ich weiß, wie sehr du an die Macht der Liebe glaubst. Du hast sie zu deiner Lebensaufgabe, zu deinem Lebenswerk gemacht.«
»Ich weiß.«
»Du hast Martin mehr geholfen, als du ahnst. Und jetzt lass dir helfen, May, von uns. Dafür sind Freunde da.«
»Das wusste ich immer.« May umarmte ihre Freundin und schluchzte, ließ ihren Tränen freien Lauf. »Ich wollte einfach nicht glauben, dass wir Hilfe brauchen. Ach Genny, warum muss der Sommer enden? Warum kann er nicht ewig währen? Warum muss Martin so viel durchmachen?«
*
May blieb in der Klinik, solange es ging, an Martins Seite, bevor er in den Operationssaal gebracht wurde. Sie hielten sich an den Händen, bis zur letzten Minute. Martin lagauf der Rollliege, mit einem weißen Laken zugedeckt, und seine Arme und Schultern wirkten so stark und wuchtig, dass ihr das Ganze wie ein schlechter Scherz vorkam.
Zwei Pfleger betraten den Raum, um ihn mitzunehmen. Beide waren Bruins-Fans und versprachen, ihn wie ihren Augapfel zu hüten. May bedankte sich bei ihnen, aber Martin bat sie, noch eine Minute zu warten. Respektvoll zogen sie sich zurück und ließen den Cartiers noch einen letzten Augenblick der Zweisamkeit.
»Ich komme mir vor, als müsste ich vor ein Erschießungskommando«, scherzte Martin. »Mein Mund ist so trocken, dass ich kaum etwas herausbringe.«
»Teddy ist eine Koryphäe. Alles wird gut werden«, sagte May und versuchte, selbst daran zu glauben.
»Was immer auch geschehen mag, ich habe jeden Augenblick mit dir genossen.« Martin blickte ihr mit einer Intensität in die Augen, die sie zittern machte.
»Und ich mit dir.« May war verwirrt über seinen Ausdruck.
»Jede einzelne Minute.« Er strich ihr das Haar zurück, als wollte er sich ihr Gesicht bis in den letzten Winkel einprägen, um die Erinnerung für immer in seinem Gedächtnis zu bewahren.
»Es wird viele weitere geben.«
Er schloss die Augen, sah aus, als sei er nicht davon überzeugt.
»Ganz bestimmt«, sagte May fest.
»Ich weiß.« Seine Stimme klang tonlos. Aber plötzlich öffnete er die Augen. Sie strahlten, wie früher, als sich nun langsam ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. »Ich habe gesiegt, trotz allem.«
Sie sah ihn fragend an, und sein Lächeln wurde breiter.
»Ich habe Jorgensen besiegt.«
»Und ich hab zugesehen«, sagte sie, bemüht, sein Lächeln zu erwidern.
*
Serge erfuhr aus der Zeitung von der Operation seines Sohnes. Martin hatte ein stumpfes Kopf- und Augentrauma erlitten, Ursache einer Netzhautablösung und Augenbindehautentzündung, so dass ein chirurgischer Eingriff unerlässlich und am Dienstag durchgeführt worden war.
»Oh Gott«, stöhnte Serge leise.
In dem Artikel wurde Dr. Theodora Collins erwähnt, die renommierte Augenspezialistin aus Harvard, die an der Bostoner Augenklinik praktizierte. Sie hatte mit Hilfe der neuesten mikrochirurgischen Techniken eine Glaskörperextirpation durchgeführt.
»Die Ergebnisse, die man damit erzielt, sind von Fall zu Fall verschieden und lassen keine Verallgemeinerungen zu«, so zitierten die Zeitungen ihre Prognose.
Es hieß auch, ein Erfolg sei unwahrscheinlich, trotz spektakulärer Fortschritte in der Medizin. Ein Chirurg aus New York, ein ehemaliger Student von Dr. Collins, erklärte den Reportern: »Viele Ärzte würden Martin Cartier als hoffnungslosen Fall betrachten. Aber Teddy Collins ist eine Vorreiterin in diesem Forschungsfeld. Und ein Bruins-Fan.«
Der Artikel schloss mit Kommentaren von Martins Coach und seinen Teamkameraden: »Wir beten für ihn«, hatte Dafoe gesagt. »Wir brauchen ihn auf dem Eis, sobald er so weit ist.«
»Niemand wird Martin Cartier jemals das Wasser reichen können«, hatte Alain Couture, ein junger Flügelstürmer, erklärt.
»Kein Kommentar«, hatte Ray Gardner gesagt.
»Er war ein wirklich harter Gegner und ich bin sehr froh, dass ich jetzt in seinem Team bin«, hatte Nils Jorgensen gesagt.
Serge zerknüllte die Zeitung und feuerte sie gegen die Wand seiner Zelle. Er saß lange auf seiner Pritsche, den Kopf in den Händen vergraben. Als die Glocke ertönte, die den Hofgang ankündigte, ging er mit Furcht im Herzen den kahlen langen Gang entlang.
Draußen war die Luft kühl und frisch. Es roch nach Äpfeln, der säuerliche Duft stieg aus
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