Was allein das Herz erkennt (German Edition)
Aber das ist es nicht.«
»Was dann?«
»Ich habe Angst, dich zu verlieren.« Tränen traten Tobin in die Augen, liefen über ihre Wangen. »Wenn du heiratest, ändert sich alles.«
»Nicht zwischen uns.«
»Doch.«
»Dass du verheiratet bist, hat doch auch nichts geändert.«
»Weil wir alle noch jung und unbedarft waren. Als John und ich geheiratet haben, waren wir praktisch noch Kinder, und ich habe dich sozusagen mit in die Ehe gebracht. Inzwischen sind wir alle etabliert. John und ich haben unsere Wurzeln in Black Hall; aber du heiratest einen Mann, der zum Beispiel beschließen könnte, für eine Mannschaft in Oregon zu spielen.«
»Ich glaube nicht, dass Oregon eine Eishockeymannschaft hat.«
»Dann eben Kalifornien. Manitoba. Vancouver. Weit weg jedenfalls.«
»Ich weiß«, sagte May.
»Und im Sommer seid ihr in Kanada.«
»Ja.«
»Wir haben noch nie einen Sommer getrennt voneinander verbracht.«
»Nein, haben wir nicht.« Mays Hals war wie zugeschnürt.
»Und das ist erst der Anfang, meine liebe Freundin. Er bringt eine lange Lebensgeschichte mit in die Ehe, genau wie du. John und ich haben sehr jung geheiratet und sie von Anfang an gemeinsam geschrieben. Aber du und Martin, ihr fangt mitten in der Biografie an.«
»Du vergisst etwas, Tobin.« May wischte sich mit dem Hemdärmel über das Gesicht. »Du hast immer zu meinem Leben gehört und du wirst auch immer dazu gehören, egal wo Martin und ich sein werden.«
»Das hoffe ich doch«, sagte Tobin und umarmte May, als Tante Enid eintrat.
*
Obwohl Tante Enid nach dem Mittagsschlaf frisch und ausgeruht wirkte, zeichneten sich Falten und Rosshaar vom Kopfkissen auf ihrer linken Gesichtshälfte ab. Von Tobin stumm ermutigt, bat May ihre Tante ins Büro und schloss die Tür.
»Was gibt es, Liebes?«
»Ich muss dir etwas sagen.«
Enid lächelte und wartete, die Finger an den Lippen.
»Du weißt, dass Martin und ich heiraten wollen.«
»Oh ja, May.« Enid kam um den Schreibtisch herum. »Du verdienst alles Glück der Welt. Es war eine wunderbare Neuigkeit.«
»Danke.« May legte die Arme um ihre kleine, zarte Tante.
»So, die Arbeit wartet.« Enid löste sich von ihr und nahm ihr Klemmbrett.
»Ähm, da wäre noch eine Sache –«
»Lass mich das nur machen. Setz dich einfach hin und sei eine Braut, den Rest erledige ich. Black Hall wird eine Märchenhochzeit erleben. Wir werden sämtliche Register ziehen.«
»Tante Enid, keine Register.«
Enid lachte, als hätte May ihr gerade einen guten Witz erzählt. Immer noch kichernd, deutete sie auf die Porträts von Emily und Abigail, die lächelnd auf sie herabschauten.
»Liebes, die beiden würden mir die Hölle heiß machen, wenn ich nicht alles täte, was in unseren Kräften steht! Bridal Barn ist schließlich ein Unternehmen, das Hochzeiten plant und organisiert, und du bist das Kostbarste, was wir haben. Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als deine Mutter dich aus der Klinik nach Hause brachte; mir ist, als wäre es gestern gewesen. Deine Mutter, deine Großmutter und ich standen an deiner Wiege, weiß war sie …«
May schloss die Augen. Sie sah die Wiege aus weißem Korbgeflecht vor sich, die sie später für Kylie benutzt hatte. Drei eifrige, liebevolle Gesichter hatten auf sie herabgelächelt, als sie die Augen aufschlug und ihr neues Zuhause, ihre Welt betrachtete. Sie waren ihre Welt.
»Und wir haben Orangenblüten und Rosenblätter auf dich herabregnen lassen, wie es der Tradition entspricht. Deine Mutter hat ein Gebet gesprochen und deine Großmutter ein Gedicht rezitiert, und ich habe deine Zehen gekitzelt. Das war unser kleines Ritual, das dir Glück bringen sollte.«
May lächelte und dachte an ihre seltsame, wunderbare Familie, an die kleinen Zeremonien, die sie zur Feier der wichtigen Etappen im Leben abhielten. Sie war sicher, dass sie sich an ihre erste Bekanntschaft mit Rosenblättern erinnern konnte.
»Em und Abby würden mir nie verzeihen, wenn ich dich heiraten ließe, ohne dass Bridal Barn Kopf steht.«
»Tante Enid.« May nahm ihre Hände. »Wir werden in aller Stille heiraten, und nicht hier.«
Enid schnappte nach Luft und schwankte, als sei sie einer Ohnmacht nahe. May führte sie zu einem Stuhl, forderte sie auf, den Kopf zwischen die Knie zu stecken.
»Großer Gott. Ich werde langsam alt. Einen Moment lang dachte ich, du hättest gesagt, in aller Stille.« Ihr Blick war hoffnungsvoll. May nickte ernst.
»Das habe ich gesagt.«
»May, das kann doch
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