Was allein das Herz erkennt (German Edition)
einander umschlungen und schluchzten. Die Chadwick-Jungen trollten sich, peinlich berührt von dem Tränenbad. Kylie saß bei Martin, und plötzlich geschah etwas Seltsames: Sie sah ihre Mutter und Tobin, als die beiden in ihrem Alter und beste Freundinnen gewesen waren, hier auf diesen Treppenstufen sitzen.
»Ist es das, was du wirklich möchtest? Keine große Hochzeit?« Tobin küsste Mommy auf die Wange.
»Ja, ich will es so.«
»Dann solltest du es auch tun.«
»Wirklich?«
»Meinen Segen hast du.« Tobin küsste Mommy noch einmal, dann beugte sie sich zu Martin hinüber und küsste auch ihn.
»Danke, das bedeutet mir sehr viel.«
»Sie hat keine Eltern mehr«, sagte Tobin. »Betrachten Sie mich als ihre Stellvertreterin.«
»Dann ist mir Ihr Segen umso wichtiger«, sagte Martin.
Tobins Augen funkelten wie die einer Bärenmutter, die ihre Jungen verteidigt: »Passen Sie gut auf sie auf.«
» Toujours – immer«, gelobte Martin. »Auf beide.«
*
In den nächsten Tagen sorgte Tobin dafür, dass Mays Gewissensbisse wegen der stillen Hochzeit verblassten. Sie verzieh ihr nicht nur, sondern gelangte auch zu der Überzeugung, dass die Idee letztlich doch ganz gut sei. Im Sommer herrschte im Bridal Barn Saure-Gurken-Zeit. Die Männer hielten in aller Regel im Sommer um die Hand ihrer Auserwählten an und die Hochzeitsvorbereitungen begannen im September. Tobin und Tante Enid konnten die Arbeit alleine bewältigen, wenn May in Kanada war.
»Du hast Tante Enid noch nichts gesagt, oder?«, erkundigte sich Tobin.
»Nein«, gestand May. »Es ist mir schon schwer genug gefallen, es dir zu beichten, aber bei ihr traue ich mich nicht einmal daran zu denken.«
»Sie wird am Boden zerstört sein.« Tobin stimmte ihr zu.
»Ihr Blick, ich kann mir das Drama regelrecht ausmalen –« May schüttelte den Kopf, um das Bild zu vertreiben. »Jetzt verstehe ich, warum die Mädchen lieber klein beigeben, als ihren Eltern zu sagen, dass sie andere Vorstellungen haben.«
»Hast du vor, klein beizugeben?«
»Ich brauche deine Unterstützung, Tobe.« May spähte zum Haus hinüber.
»Soll ich es ihr beibringen?«
May schüttelte den Kopf. »Nein, das muss ich schon selbst machen. Ich fürchte, sie wird versuchen, mich zu überreden, eine Hochzeit im Stil von Bridal Barn auszurichten.«
»Wohl wahr. Aber du hast ja noch eine Galgenfrist, sie hält gerade ihren Mittagsschlaf. So, und jetzt lass mich deinen Ring sehen.« Tobin ergriff Mays Hand. »Ich kann es kaum erwarten, das Prachtstück genau unter die Lupe zu nehmen.«
May konnte nicht anders, aber sie war stolz. In ihrem Metier hatte sie ein geschultes Auge für Brillantringe entwickelt und Martin hatte ihr ein ausgesuchtes Exemplar geschenkt: Platin mit einem großen Solitär im Smaragdschliff, flankiert von kleineren länglichen Brillanten, die ein ganzes Feuerwerk versprühten.
»Heiliges Kanonenrohr!« Tobin war beeindruckt. »Netter Klunker.«
»Danke.«
»Das Blatt hat sich offenbar gewendet«, lachte Tobin. »Deine verhätschelten Bräute werden vor Neid erblassen.«
»Wie meinst du das?«
»Ach May, du weißt schon, was ich meine. Du hast jahrelang die reichen jungen Frauen der Ostküste von hinten bis vorne bedient. Die gute May, die Hochzeiten plant, selbst aber keinen Mann hat. Nicht, dass sie auf dich herabgeschaut hätten, aber du hast es ihnen ermöglicht, sich … wie etwas Besseres vorzukommen.«
»Ich weiß.« May erinnerte sich an abschätzige Blicke und Bemerkungen, an protzige Ringe und riesige Budgets, über die ihre Bräute verfügen konnten, an die Geschichten, wie sie sich verliebt hatten.
»Das wird ein Mordsspaß.« Mit einem boshaften Lächeln tippte Tobin gegen den Ring. »Ich kann mir Page Greenleighs Gesicht direkt vorstellen. Kannst du noch bis zu ihrer letzten Anprobe bleiben?«
»Führe mich bitte nicht in Versuchung«, lachte May.
Aber Tobins Miene war wieder ernst. »Vielleicht möchte ich im Grunde nur, dass du nicht gehst.«
»Du meinst, um Martin zu heiraten?«
»Nein, das wünsche ich dir von ganzem Herzen, May. Wirklich. Ich bin ein wenig beunruhigt, weil alles so schnell geht, aber trotzdem ist es die spannendste Liebesgeschichte, die ich je gehört habe. Die beste Reklame fürs Geschäft, und das kostenlos. Wenn es herauskommt, dass du dir den begehrtesten Junggesellen in der ganzen NHL geangelt hast, werden die Bräute meilenweit Schlange stehen. Wir müssen die Werbetrommeln für deine Rosenblätter rühren.
Weitere Kostenlose Bücher