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Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Titel: Was allein das Herz erkennt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Anwesen. Es war Mitte November und da ergab es sich von selbst, dass sie über das bevorstehende Weihnachtsfest sprachen, über Traditionen, Eltern und Schwiegereltern.
    »Erzähl mir von Serge«, bat May.
    »Serge. Ein vielschichtiger, komplizierter Mann.«
    »Hast du ihn gut gekannt?«
    »Seit ich ein junges Mädchen war. Er liebte Martin über alles, erkannte von Anfang an sein außergewöhnliches Talent. Er trainierte ihn von morgens bis abends, und oft mussten Ray und ich mitspielen. Er war Martins großes Vorbild.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Das war in der Zeit, als Serge noch zu Hause wohnte und pendelte, zum Spielen nach Montreal fuhr. Aber dann kam der Transfer nach Toronto, zu den Maple Leafs, und kurz darauf änderte sich alles. Martin wurde von dem Schuldeneintreiber verletzt und die Ehe von Serge und Agnes ging in die Brüche. Serge verschwand einfach und kehrte nie mehr zurück. Er ließ Martin im Stich.«
    »Aber es war nicht Martins Schuld.« May dachte an die Beziehung zu Kylies Vater und dass letztlich immer die Kinder unter den Problemen der Eltern zu leiden hatten.
    »Natürlich nicht. Aber das glaubte Martin nicht. Er begann, noch ehrgeiziger Eishockey zu spielen, mit einer Verbissenheit, als könnte er seinen Vater dadurch zurückholen. Er überredete Ray, mit ihm zu üben, und Agnes trainierte die beiden auf dem See …«
    »Serge hat das alles verpasst.«
    »Verschwende dein Mitleid nicht an Serge. Er war schon eine Berühmtheit, bevor man Eishockeyspieler zu Nationalhelden erhob. Außerhalb der Saison ließ er es richtig krachen, in Los Angeles, Las Vegas – wir sahen sein Bild andauernd in den Klatschmagazinen, immer irgendein Model im Arm. Er tauchte erst wieder aus der Versenkung auf, als Martin aus dem Haus ging und selbst in der NHL spielte.«
    »Sobald er Agnes’ Fittiche verließ.«
    »Genau. Serge ist eine Legende am Lac Vert, trotz alledem. Die Jugendlichen sehen auch heute noch ein Idol in ihm, weil er ein fantastischer Spieler war und einen Sohn wie Martin hat.«
    »Martin spricht nie von ihm.« May dachte an den Sommer, an die furchtbaren Nächte, als Martin auf dem Sofa geschlafen hatte. »Bis auf ein einziges Mal.«
    »Kann ich mir denken. Martin hat ihn an dem Tag ein für allemal abgeschrieben, als Natalie starb.«
    »Ich frage mich, ob jemand wirklich den eigenen Vater einfach abschreiben kann«, sagte May leise und nachdenklich. »Auch wenn er fest überzeugt ist, dass er es möchte.«
    Sie setzten den Rundgang fort. May ertappte sich bei dem Versuch, Bridal Barn mit Gennys Augen zu sehen, und wünschte sich, sie wäre früher gekommen, als die Kräuter und Blumen noch in voller Blüte standen und die alten weißen Kletterrosen an der Seitenwand der Scheune ihre ganze Pracht entfalteten.
    Sie betraten die Scheune, die mit stämmigen Lorbeerzweigen und bittersüßem Nachtschatten herbstlich geschmückt war. Knorrige, flach gedrückte und leuchtend gelbe Kürbisse säumten die alten Pferdeboxen und Querbalken. Eulen schliefen in den Dachsparren, im Schatten des blassen weißen Lichtes, das schräg durch die Dachluken fiel.
    Tobin, die gerade mit der Beratung einer neuen Kundin fertig war, blickte von ihrem Schreibtisch auf.
    »Oh, da bekomme ich gleich Heimweh nach Kanada, wenn ich das Holz rieche.« Genny winkte Tobin zu. »Und mollig warm habt ihr es hier drinnen mit dieser schönen Heizung, obwohl es draußen so kalt ist.«
    »Unsere größte Ausgabe«, erzählte May ihr. »Es ist nicht billig, die Scheune den ganzen Winter über zu beheizen.«
    »Martin fühlt sich hier bestimmt wie zu Hause.«
    »Ich denke schon.«
    Während sie durch den weitläufigen Raum schlenderten, berührte Genny die vom Alter silbrigen Holzwände und die mattierten Messinghaken, inspizierte den Fußboden aus breiten Planken und entdeckte das Ein- und Ausschlupfloch der Eulen in der Wand. Tobin kam zu ihnen herüber, als sie an der Leiter zum Heuboden standen, einen Stapel Manila-Umschläge in der Hand.
    »Hallo. Ich habe dich im Fernsehen bei den Spielen gesehen«, sagte Tobin zu Genny. »Aber ich freue mich, dass ich dich jetzt höchstpersönlich vor mir habe.«
    »Und ich freue mich, dich wieder zu sehen«, sagte Genny und umarmte Tobin.
    »Ihr seid ja richtig berühmt, du und May.«
    »Gegen unseren Willen«, lachte Genny.
    »Was ist, trinkst du Tee mit uns?«, erkundigte sich May.
    Tobin schüttelte den Kopf, blickte auf die Umschläge. »Nein, danke. Ich bin mitten bei der Arbeit und weiß

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