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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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fühlte sich feucht an.
    «Ich wünschte, wir könnten an einem Ort leben, wo man keine Hunde quält», sagte sie.
    «Versailles», brummte er, dann starrte er sie trotzig an. «Warum bist du schon so früh auf?» fragte er. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er ins Badezimmer. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. Der Neger lag vor einem metallenen Mülleimer, der an das Geländer gekettet war, an dem er sich immer noch festhielt. Noch während sie zusah, fiel seine Hand herunter und plumpste auf das Pflaster, das grüne Flugzeug schlug ein paar Meter weiter auf. Sie wurde sich plötzlich ihres Unbehagens bewußt; ihr Mund war belegt, ihr Körper erschöpft und ihr Verstand von Erinnerung verdorben. Sie hatte sich wieder schlafen gelegt, speiste ihre Erinnerungen an Francis Early, so wie ein altes Weib ein Baby mit Hilfe eines Fetzens tränkt. Die Arme hingen ihr schwer an den Seiten herunter. Das Zimmer fühlte sich abgestanden an. Sie hörte die Toilettenspülung, das fließende Wasser,dann das trottende Geräusch von Ottos Füßen, als er ins Schlafzimmer zurückkam. Sie wäre gern wieder eingeschlafen, aber sie blieb dort vor dem Fenster stehen, vor dem sie die Vorhänge zugezogen und dabei deren Sprödigkeit gefühlt hatte. Sie stellte fest, daß sie sie in die Reinigung geben müßte. Der Neger bewegte sich ein wenig.
    «Mein Gott! Er steht auf», sagte sie.
    Otto seufzte, fiel ins Bett und zog die Decke über sich.
    «Wie geht es mit deinem Biß?»
    «Besser, glaube ich», sagte sie, schaltete eine kleine Tischlampe ein und blickte auf ihre Hand hinunter. Die Schwellung war immer noch auffallend, aber die Rötung war zurückgegangen. «Er ist entzündet. Mein ganzer Arm ist entzündet. Aber er sieht besser aus.»
    «Du solltest dir heute eine Tetanusspritze geben lassen. Du kannst sie überall bekommen.» Er klang, als sei er des ganzen Themas überdrüssig.
    «Ach, das wird schon besser», sagte sie, von sich selbst angeödet.
    Durch halbgeschlossene Lider schielte er auf sie. «Du läßt dich treiben, Sophie», sagte er. «Es gibt bestimmte Dinge, die man ohne Aufhebens erledigen sollte.»
    «Vielleicht ist er nicht betrunken. Vielleicht ist er krank», sagte sie.
    «Er ist betrunken», sagte Otto. «Komm ins Bett.»
    «Woher willst
du
das wissen?»
    «Schrei nicht herum!»
    «Kannst du keine Zweifel zulassen? Vielleicht hatte er einen epileptischen Anfall! Einen Herzanfall! Du bist so neunmalklug, durchschaust alle … die amerikanische Art von Weisheit! Und was ist, wenn er tatsächlich betrunken ist? Ist das nicht schlimm genug?»
    Langsam zog sich Otto die Decke über den Kopf. Seine Beine schauten unten heraus. Sophie, die Kiefer in einen Schraubstock gespannt, lief zum Bett, schnappte seine Decke und zog sie ihm weg. Er griff nach ihr und packte sie um die Schenkel, und sie fiel über ihn. «Du redest zuviel», sagte er, «und du fängst an, ‹amerikanisch› als Pejorativ zu verwenden. Hast du etwa einen Haß auf dein Land?»
    «Ich habe einen Haß auf dich», erwiderte sie.
    «Einen großen?»
    «Nein.»
    Plötzlich, ausgezehrt von der nervösen Erregung, die sie für einen Augenblick ihre Müdigkeit und die eintönige Stumpfheit dieses frühen Morgens hatte vergessen lassen, vergrub sie ihr Gesicht am Bettrand. Otto begann etwas apathisch ihren Rücken unter dem Nachthemd zu streicheln. Sie war dankbar, daß sie nicht gestritten hatten – ihr fehlte die Energie dazu –, aber gleich hinter ihrer Dankbarkeit türmte sich eine düstere Enttäuschung auf. Würde Otto mit ihr schlafen, während der Neger unten auf der Straße in seinem Erbrochenen schlief?
    Sie beschwor den Geist ihres ehemaligen Liebhabers herauf. Er saß in dem Stuhl mit der geraden Rückenlehne und trug eine braune Wildlederjacke. Er sah sie nicht an. Ein Büstenhalter hing über der Rückenlehne, da, wo sie ihn abgelegt hatte, und Francis beugte sich etwas vor, so, als wollte er die Berührung mit ihm vermeiden. Sie zwang ihn, sich zurückzulehnen. Er begann zu verschwinden. In Locust Valley würde er jetzt schlafen, an Jean geschmiegt, die die Namen von allen Dingen kannte … Eine Träne kullerte ihr über die Wange. Sie würde sich niemals von ihm befreien. Ottos Hand war regungslos. Sie hörte zu, wie er atmete. Er schlief.
    Am frühen Vormittag, als sie erwachten, war der Himmel klar, rosarot, hoffnungsvoll.
    «Was machst du heute?» fragte er sie beim Frühstück.
    «Mit Claire Mittag essen.»
    «Ich hätte

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