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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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er ein neues Radio. Er war erstaunt gewesen, sagte er, als eine seiner Autorinnen, eine warmherzige Naturforscherin, ihm einfach eines geschickt hatte. Es hatte Zwischenfrequenz, Polizeifunk und Gott weiß was noch. Es war mit Leder bezogen, sehr aufgemotzt und leistungsstark. «Ich bekomme die ganze Welt rein», sagte er. Sophie streckte die Hand in die Richtung des Radios aus, berührte es aber nicht. Was hatte er mit ihrem gemacht? Aus dem Fenster geworfen?
    Sie hätte das neue Radio am liebsten auf seinem staubigen Parkettboden zerschmettert. Statt dessen lächelte sie. Sie wußte nicht, wie sie ihrem beiderseitigen Lächeln Gewalt antun konnte. Es war ungesund. Es blieb auf ihrem Gesicht, wenn sie sich auszog. Es verging nicht, und sie nahm es mit sich nach Hause, ein entstellendes, krampfhaftes Grinsen.
    Nur ein paar Wochen nach Beginn ihrer Affäre litt sie unter mächtigen Anfällen von Verachtung, in denen sie sich als Närrin, als
die Närrin
sah. Ihre unbeständigen Urteile über sich selbst offenbarten ihr, wie brutal ihr Verhältnis mit Francis sie auf sich selbst zurückgeworfen hatte. Dadurch, daß er sich gestattete, von ihr geliebt zu werden, hatte er ihr ihre menschliche Einsamkeit vor Augen geführt. Trotzdem hatte sie niemals besser ausgesehen: Ihre Augäpfel waren so blank wie die eines Kindes; ihr dunkles Haar glänzte besonders schön, und obwohl sie nicht viel aß, schien sie aus ihren Kleidern zu platzen, weniger weil sie zunahm, sondern wegen ihrer galvanisierten Energie. Streß, dachte sie, tat ihr gut, verliehihrem Gesicht, das allzu plastisch war, Spannkraft, hellte ihre eher fahle, dunkle Haut auf. Sie hatte keinen Augenblick der Ruhe, weil sie nachdachte, nachdachte, nachdachte über ihn. Sie wurde wie ein Pfeil. «Du siehst aus wie ein Pfeil», sagte er. Sie hatte sich beeilt, um ihn zu treffen, hatte seinen Arm berührt, gefühlt – durch die Ärmel seines Sakkos und seines Hemdes, ja, wie es schien, auch durch sein Fleisch hindurch –, wie er sich von ihr zurückzog. Ihr Herz griff zu und fiel zusammen. Er küßte sie auf die Augenbraue. Sie schob ihre Hand zwischen seine Hose und seine Haut und spürte die kleine hohe Hinterbacke. Er lachte und erzählte ihr eine Geschichte über einen Pfeilwurm, daß man ihn aufschneiden konnte und die einzelnen Abschnitte überlebten. Sie tranken ein Glas Weißwein. Geistesabwesend berührte er sie am Ohrläppchen. Sie stand auf. Er drängte sie gegen eine Wand, schob ihren Rock hoch. Sie versuchte, ihm zuvorzukommen. Er preßte sich gegen sie, wandte sich plötzlich ab und zeigte ihr ein neues Buch über Farne. Sie hörte das Klingen einer Münze, die aus seiner Tasche rollte und auf den Boden aufschlug. Auf der Couch kniete er über ihr und blickte mit scharfer, leidenschaftsloser Neugierde auf ihren Körper hinunter. Er konnte einen Hustenanfall nicht unterdrücken; dieser rüttelte in ihrem Inneren, bewegte sich über ihren Bauch und Magen hinauf zu ihrer Brust. Es empörte sie, daß er sie in diesem Augenblick zum Lachen bringen konnte. Aber sie konnte nicht aufhören zu lachen. Sie fielen beide vom Bett herunter. Ihre Knochen waren nicht mehr die jüngsten, und sie taten ihr weh. «Ich muß entweder das Rauchen oder das Ficken aufgeben», sagte er. Vor ihr lag die Rückkehr ins Graue. Es war undenkbar, ihn zu verlassen. Manchmal nahm sie ein Taxi. Sie fuhr nach Hause, ohne etwas zu sehen, mit leicht geschwollenem Mund und rosigen Wangen.
    Es war klar, wann er genug hatte, mehr, als er je gewollt hatte. Er fragte sie, ob sie sich selbst auf einer Bühne vorstellen könne, ob sie sich je auf einer Bühne vorgestellt habe? Warum er sie das frage? Ach, er wisse nicht, aber manchmal … die Art, wie sie spreche, den Kopf halte, ihre Emphase … «Du meinst: theatralisch?» Nun … das nicht gerade.
    Dann, an einem Spätnachmittag, sagte er ihr, daß er nach Locust Valley zurückmüsse. Er müsse herausfinden, was in seiner Ehe wirklich passiert sei. Wenn er das nicht tue, wie könne er dann je eine andere Beziehung eingehen?
    «Beziehung?»
    «Ich kann doch erst dann jemand anderen heiraten, wenn ich mehr über das weiß, was zwischen Jean und mir abgelaufen ist», sagte er.
    «Jemand anderen», schrie ihre innere Stimme.
    Er sprach nicht mehr milde über seine Frau. Wenn er sie erwähnte, legte sich sein Gesicht in Falten, er schaute von Sophie weg auf irgendeinen Gegenstand im Zimmer, in der Bar, im Restaurant. Er sah jetzt seine Kinder

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