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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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zurückkam, sagte sie ihm, daß nichts fehle außer der Taschenlampe, die sie im Schlafzimmer aufbewahrt hatte. Und sie war sich sicher, daß in der Flasche, die sie unter dem Tisch gefunden hatte, ohnehin nur noch ganz wenig Bourbon gewesen war. Er war in die Küche gegangen, stand am Fenster und schaute hinaus.
    «Was ich am meisten vermissen werde, wenn ich tot bin», sagte er, «ist dieses Licht am späten Nachmittag.»
    «Sie hätten unser Haus anzünden können, Otto», gab sie zu bedenken. «Es hätte viel schlimmer kommen können.»
    «Ich bringe mal den Vogel und die Scheiße raus», sagte er.
    «Das habe ich schon erledigt.»
    «Es ist ein wenig so, als würde man eine Sekunde, bevor die
Titanic
untergeht, die Klospülung betätigen», sagte er.
    «Wir sind aber nicht untergegangen», widersprach sie. «Wir sind nur geschädigt worden.»
    «Ich wollte, es könnte mir jemand sagen, wie ich leben kann», sagte er und warf ihr einen Blick zu. Die halbe Frage machte sie auf peinliche Weise betroffen, und sie wandte sofort den Kopf ab, damit er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Sie spürte, wie ungerecht ihre Reaktion war – was machte es schon, wenn seine Worte infantil wären? Die Bitte, die sich dahinter verbarg, war es nicht. Aber
sie
konnte niemandem sagen, wie er zu leben habe! Vielleicht wäre es in Ordnung gewesen, wenn er sie nichtangesehen hätte – wenn er aufgeschrien und sich selbst vergessen hätte. Vergessen hätte, wie das, was er sagte, vielleicht klingen mochte, wenn er gerufen hätte: «Ich weiß nicht, wie ich leben soll!»
    «Niemand kann das sagen», erklärte sie kategorisch.
    «Vielleicht sollten wir wegziehen.»
    «Wohin?»
    «Ich kann ja nicht einmal wegziehen. In meinem Alter könnte ich doch keine Kanzlei in Chicago oder sonstwo aufziehen.»
    «Chicago mag ich nicht.»
    «Wie wär’s mit Halifax?»
    «Es ist ja nur die Einrichtung …»
    «Es gibt keinen Ort für das, was ich fühle.»
    «Hör mir zu, Otto.
Es war nur die Einrichtung

    «Aber siehst du denn nicht, wie grausam das ist? Und so sinnlos … Es würde mir nichts ausmachen, bei einer Revolution erschossen zu werden, oder daß mein Haus angezündet wird …»
    Sie lachte hysterisch. «Es würde dir nichts ausmachen, erschossen zu werden!» rief sie.
    «Es muß irgendeinen Sinn haben», sagte er störrisch und griff nach einer verschandelten Skizze des Hauses, die irgend jemand einmal für sie angefertigt hatte, und schwenkte sie vor ihr hin und her. «
Das
ist sinnlos. Es steht für keine Idee. Es ist primitiv, die Sinnlosigkeit …»
    «Vielleicht ist es in einer Sprache, die du nicht sprichst –»
    «Möchtest du irgendwelche Schweine verteidigen, die in deinen Kamin scheißen?» wollte er wütend wissen.
    «Ach, Otto», sagte sie und legte den Kopf auf ihren Arm.
    «Ich frage mich, ob diese Haynes-Idioten etwas damit zu tun hatten. Wie sie uns hassen! Hast du gesehen, wiesie sich über unser Problem gefreut haben? Alles in dieser Küche war genauso, wie sie es haben wollen: Connie, und der Fernseher auf der Waschmaschine, und Duane, der rittlings auf seinem Stuhl sitzt, und dieser Kalender von 1953 – das alles hat mir eines gesagt. Und zwar:
Stirb

    Sie ging ins Wohnzimmer und betrachtete die kahlen Wände. All die hübschen kleinen Dinge waren weg, Dinge, die sie in Trödelläden entdeckt oder irgendwo gefunden oder in Antiquitätengeschäften gekauft hatte. Otto kümmerte sich um Autos und Versicherungspolicen, Immobilien und Hotelreservierungen, um all das. Aber er war kein Sammler.
    «Ich vermute, unsere Versicherung wird dafür aufkommen», rief sie ihm zu.
    «Nenne mir die Kategorie», sagte er mit bitterer Stimme und kam zur Küchentür, immer noch die Skizze in der Hand. «Wie nennt man so etwas?»
    «Mein Gott!» rief sie aus. «Man nennt es Vandalismus, das genau ist es …»
    Sie fuhren durch das Dorf, ohne die vertrauten Marksteine zu kommentieren; die Rotbuchen sahen tot aus, wie Bäume in den Kulissen, ein vorgetäuschter Wert. Otto wich von seiner Gewohnheit ab, eine der Tankstellen in Flynders profitieren zu lassen, und hielt erst vor dem Highway an, um zu tanken.
    Die Allee betäubte sie. Der Wagen kletterte Hügel hinauf und hinunter wie ein mechanisches Spielzeug am Ende eines Metallarms. Alles war in Zwielicht getaucht; plötzlich gingen die Lichter an. Dann stieg in der bleichen Leere von Sophies Kopf nach und nach eine Erinnerung auf. Etwas Ähnliches hatte sie schon einmal empfunden, in

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