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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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Haynes es ihnen irgendwie heimzahlen.
    «Ich habe bemerkt, daß du, als wir nach Hause kamen, gezögert hast hineinzugehen, nachdem ich die Tür aufgesperrt hatte», sagte Otto.
    «Ich hatte eine makabre Vision», sagte sie. «Ich habe mir vorgestellt, sie wären auch hier gewesen.»
    «Noch nicht», sagte er.
    Sie lasen bis spät in die Nacht hinein, saßen im Bett gegen die Kissen gelehnt und tranken viele Gläser Rotwein. Wie gewöhnlich schlief Otto als erster ein.
    Das Haus knarrte in der Dunkelheit leise vor sich hin. Gegen drei Uhr blies ein Ostwind die Straße hinunter, spielte in den jungen steifen Zweigen der Ahornbäume. Eine kleine graue Maus kam unter dem Kühlschrank der Bentwoods hervor, flitzte über den Küchenboden und hinaus ins Eßzimmer, wo sie sich unter den Schrank zwängte, in dem Sophie die Tischwäsche aufbewahrte.
    Die Maus mußte etwas gehört haben, was sie erschreckte, denn sie drückte sich noch weiter unter den Schrank, bis zu einer Stelle, wo sich die alten Fußbodenbretter aus Zedernholz aufgeworfen hatten; dann konnte sie nicht mehr zurück. Die weißgraue Katze betrachtete die Telefondrähte und die Zweige der Bäume, die der Wind in Schwingung versetzt hatte. Sie balancierte mit der üblichen Leichtigkeit auf der schmalen Kante einer Querlatte des Zauns. Der Mann, der gegenüber dem Hinterhof der Bentwoods wohnte, stand auf, taumelte zum Fenster und erleichterte sich. Die Katze blinzelte, legte den Kopf zur Seite und lauschte dem Plätschern des Wassers auf dem alten Gartenweg. Der Mann fiel wieder ins Bett. Im nächsten Stockwerk wachte ein Säugling auf und fing an zu weinen. Er schrie in der feuchten Dunkelheit lange vor sich hin, wand unter großer Anstrengung Bauch und Po hin und her, und die bloße Kraft seines Geheuls hob und senkte den kleinen Oberkörper wie eine Pumpe. Der Vater stand von seinem Bett auf und ging durch das Zimmer zum Kinderbett, wo er dastand und auf ihn hinuntersah. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er die Auf- und Abbewegung des Babykörpers. Er sagte nichts; seine Arme hingen reglos an den Seiten herunter. Sein T-Shirt reichte ihm gerade bis unter den Nabel, und er spürte den Wind, der durch die Risse im Fenster blies, dort, wo das Plastik sich von den Nägeln losgerissen hatte. Der Wind kühlte seineGenitalien und Schenkel, und er legte seine beiden Hände gekrümmt vor den Unterleib und machte eine Art Nest für seinen Penis. Während er unverwandt auf seinen plärrenden Sohn blickte, hielt er sein Skrotum in den Händen. Das Baby wachte öfters morgens um diese Zeit auf, und der Vater kam oft, um es so zu betrachten. Er wußte nicht, was seine Frau machte oder dachte, wenn sie es war, die zum Bettchen kam. Heute nacht hatte sie sich nicht gerührt. Ganz plötzlich erstarb das Gebrüll des Kindes. Ein bekannter Geruch stieg von dem nunmehr entspannten und reglosen Körper auf. «Und das alles wegen so einer Scheißerei!» brummelte der Vater auf Spanisch vor sich hin. «Was für ein Skandal dieses Leben doch ist …»
    Das Geschrei des Babys hatte Otto aufgeweckt. Er starrte in die Dunkelheit und lauschte diesem fernen Kreischen, das so sehr dem einer Katze ähnelte. Als es plötzlich aufhörte, war er vollkommen wach. Er drehte sich um und sah die dunkle Masse von Sophies Haaren auf dem Laken neben ihm. Sie hatte im Schlaf das Kopfkissen aus dem Bett geschoben. Er schnupperte an ihrem Haar. Es hing noch ein Hauch des Parfüms darin, das sie immer trug, aber über ihm schwebte ein deutlich stärkerer chemischer Geruch. Der Inhalt dieser überdimensionalen Flasche, die er ihr geschenkt hatte, hatte sich wahrscheinlich in Alkohol verwandelt. Zu ihrem nächsten Geburtstag würde er ihr dafür lieber drei kleine Flakons kaufen. An ihrer Art zu atmen konnte er ahnen, daß ihr Mund zum Bettuch hin geöffnet war. Er berührte ihr Haar. Es waren dichte, kräftige, lebendige Haare. Ihr Nacken war warm, etwas feucht dort, wo ihr Haar seidiger, irgendwie zarter war. Er schmiegte seine Hand dorthin, unter die schwere Masse; seine Hand schien sein ganzes Ich zu sein, das sich im Dunkeln versteckte. Siegrummelte einmal, aber er ignorierte ihr Murren. Sie lag auf dem Bauch. Er ergriff ihre Schulter und zog sie zu sich, bis sie gegen ihn sank. Er begann ihr kurzes Nylonnachthemd nach oben zu schieben. Er wußte, sie mußte wach sein. Aber er würde ihren Namen nicht aussprechen. Er würde überhaupt nichts sagen. Im Laufe der Jahre war

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