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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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nicht wir. Es ist ein Wortspiel auf seinen Namen.«
    Sie war zu bekifft, um sich dafür zu interessieren, was Billy Cooper Bond mit seinem Namen anstellte. Ihr Arm bewegte sich träumerisch wie unter Wasser, als sie ihm den Joint entgegenstreckte.
    Um sich nicht mit ihr zu streiten, nahm er ihn und hoffte, daß sie dann schweigen würde. Er zog an dem Joint, inhalierte aber nicht. Er hatte schon mehrere hundert Male zu oft inhaliert. Gras und Koks hatten ihn dazu gebracht, daß er die tausend Dollar auf seinem Bankauszug als völlig angemessen betrachtete. Als er ihr die Zigarette wieder geben wollte, schlief Bethanne, war von einem Moment auf den anderen eingeschlafen und schnarchte jetzt knatternd wie ein kleiner Außenbordmotor, der zu starten versucht.
    Seine Mutter fand dann die Lösung für sein Namensproblem. Als das dritte oder vierte Kind an der Tür nach Ed gefragt hatte, begriff sie schließlich. Warum erzählte Murray bloß, daß er Ed hieß?
    Er hatte Angst, wußte aber nicht, warum. Vielleicht deswegen, weil die Verleugnung seines Namens auch bedeutete, sie zu verleugnen. Als mache er sich damit selber zum Waisen.
    Chad setzte sich auf, pflanzte die Füße auf den Boden und schaute auf seine Schuhe hinunter. Docksiders paßten eigentlich nicht zu der Designerhose. Sie hatten neunundvierzig Dollar gekostet, und seine Mutter hatte ihm das Geld dafür geschickt. Das war unmittelbar vor dem Anruf, in dem er sie um die hundert gebeten hatte. Für Bücher.
    Lehrbücher seien teuer, hatte er ihr erzählt. Genau wie Reisen und Koks, was er ihr aber nicht sagte.
    »Lehrbücher? Du bist doch mitten im Semester. Was ist denn aus denen geworden, die du zu Semesterbeginn gekauft hast? Sind die etwa ranzig geworden?«
    Mein Gott, wie er es haßte, wenn sie versuchte, komisch zu sein. Wo sie doch wußte, wie schwach seine Position war. »Moom.« Angewiderter Ton. »Er hat uns noch eine Lektüre aufgebrummt. Und der Französischprofessor auch.«
    »Du hast noch nicht mal das Französischlehrbuch durch, das du vor zwei Monaten gekauft hast. Wie solltest du auch? Gehst ja nicht zu den Kursen.«
    Woher wußte sie das? Sie vermutete es. Eine auf Fakten basierende Vermutung, denn er hatte sein Zwischenzeugnis zu Hause rumliegen lassen.
    »Doch, doch. Das war nur damals, als ich krank war. Hör mal, ich brauch es bis Freitag.«
    »Freitag? Das ist übermorgen, Chad.«
    »Hm, kannst du mir’s nicht expreßmäßig rüberwachsen lassen?«
    »Wie bitte?«
    Ach, Scheiße — jetzt fing sie wieder mit ihrer Liste von verhaßten Wörtern an. Seine Mutter verabscheute Ausdrücke wie »Spaß haben, bis der Arzt kommt«, »Gut drauf sein bis zum Absinken« und vor allem die neuen Verben (wie sie sie nannte), wie etwa »ablachen, abhotten«; und jetzt war sie nicht mehr zu halten...
    »Ein Neunzehnjähriger mit einer mittellosen Mutter, der wahrscheinlich den größten Teil seiner Zeit im Mädchenwohnheim und auf Bierpartys verbringt...«
    Er wußte, jetzt war sie nicht mehr zu bremsen, weshalb er den Hörer weglegte und sich ein Bier holte, wieder zurückkam, ihn erneut vom aufgeplatzten Sofa hob:
    »... der durch die Französischprüfung rasselt...«
    Und ihn wieder hinlegte und seufzte. Wie konnte ein Mensch, der gegenüber Fremden geradezu krankhaft schüchtern war, endlos weiterquasseln, aus einzelnen Fäden ganze Ereignisteppiche knüpfen, aus beiläufigen Bemerkungen ganze Szenarios (wieder eines ihrer verhaßten Wörter - »Szenario«)? Er griff wieder nach dem Hörer - ja, sie redete immer noch. Mein Gott! Der Greyhound würde am Freitag mit den anderen Jungs wegfahren, und er würde immer noch hier rumhocken und ihr zuhören.
    »... neunzehn Jahre, wie um Himmels willen kannst du erwarten, daß ich dir expreßmäßig was rüberwachsen lasse?«
    Konnte sie nicht einfach ja oder nein sagen? Er lächelte und sagte: »Okay, okay, dann halt bundespostmäßig.«
    Schweigen. Er grinste. Normalerweise konnte er ihr so den Mund stopfen. Ach ja, sie machte das ja auch laufend. Und er wußte, daß sie jetzt am anderen Ende der Leitung saß und sich das Lachen verkniff.
    »Sehr komisch - zum Totlachen... Hör mal, warum hast du denn bis heute gewartet, um davon anzufangen?«
    Weil wir erst heute auf die Idee gekommen sind. Das sagte er ihr aber nicht.
    Er legte auf und fühlte sich schuldig. Gegenüber seiner Mutter fühlte er sich immer schuldig: weil sie so viel arbeitete und so wenig dafür bekam. Und natürlich ärgerte es ihn, daß

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