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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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er wegen ihr Schuldgefühle hatte. Es war viel leichter, sich über sie zu ärgern als über seinen Vater. Sein Vater war zu weit weg, zu schemenhaft.
    Also legte er auf und fühlte sich schuldig. Und wenn man sich schuldig fühlt, dann bedröhnt man sich einfach wieder.
    Sein Vater hatte sie verlassen, als er sieben war, und Chad hatte danach immer diese dumpfe Angst, daß seine Mutter dasselbe tun könnte.
    Sie hatte einen von diesen sauren Zitronenkuchen gebacken, die er nicht ausstehen konnte, und löste ihn gerade mit dem Messer aus der Form, während sie darüber nachdachte. Wenn du nicht zur Familie gehören willst... Das würde sie mit Sicherheit sagen.
    Aber wir sind doch nur zu zweit!
    Und schon verließ sie ihn und nahm den verhaßten Kuchen mit sich fort. Wenn dir mein Zitronenkuchen nicht schmeckt...
    Doch das Befürchtete war nicht eingetreten. Sie hatte nur den überstehenden Kuchenrand abgezwickt und gefragt, warum er ihr denn nicht erzählt hätte, daß ihn sein Name so störe. Wenn ihm »Murray« nicht gefiel, na ja, er könne doch einfach »Chad« werden. Er probierte den Namen ein paarmal aus, wiederholte ihn immer wieder. Es war ein toller Name. Vor allem, weil es tatsächlich sein Name, das heißt ein Teil seines Nachnamens war. Warum war er nicht darauf gekommen?
    Und dann fragte er sich, wie sie darauf gekommen war. Wünschte sie sich einen anderen Sohn, wenn sie seinen Namen so leicht auf geben konnte?
    Er sagte ihr, daß er diesen sauren Kuchen haßte.
    Chad setzte sich auf, stellte die Füße auf den Boden und starrte auf seine Schuhe. Seine Mutter hatte ihm das Geld für die Schuhe geschickt und dann noch einen Scheck für weitere Bücher.
    Das war der Hunderter, den die Bank wie durch Zauberei in einen Tausender verwandelt hatte. Er versuchte sich zu entsinnen, wie es möglich gewesen war - obwohl das bißchen Koks, wofür das meiste draufgegangen war, natürlich schon dazu beigetragen hatte -, wie es also möglich gewesen war, daß er sich selber so belog, wie es möglich war, daß sein Verstand so im Arsch gewesen sein konnte, daß er tatsächlich glaubte, seine Mutter hätte ihm tausend Mäuse geschickt. Seine Mutter hatte keine tausend Mäuse. Er hatte sich das so erklärt: als er ihr sagte, daß es ein absoluter Notfall sei (hatte er ihr das erzählt?), hatte sie seinen Vater angerufen und das Geld dann irgendwie von ihm bekommen. - Apropos Arsch, als ob sie wegen so was je seinen Vater angerufen hätte...
    Bethanne hatte recht; Zero schwamm im Geld. Sein Vater setzte wahrscheinlich in seinen Pokerrunden die Tausender und schmiß Zehntausenddollarscheine in die Spielkasse. Aber er konnte sich nicht dazu durchringen, Zero darum zu bitten. Er wußte nicht so recht, warum. Aus Stolz, vermutete er.
    Sein einziger Trost war das Geld, das er diesen Sommer durch das Malern in Hebrides und Meridian hatte verdienen können. Aber er hatte mit diesen Jobs nur die Hälfte des Betrags zusammengebracht. Wäre nicht ein Teil seines Verdiensts für ein Zimmer in Meridian draufgegangen, hätte er mehr sparen können; doch ob mit oder ohne Auto, es war ganz unmöglich, täglich zwischen Meridian und La Porte zu pendeln. Trotzdem hatte er es geschafft, Mr. Frobish fünfhundertfünfundzwanzig Dollar zu schicken und ihn um einen weiteren zweimonatigen Aufschub zu bitten. Wie er aber den Rest in zwei Monaten zusammenkratzen sollte, das war ihm schleierhaft.
    Er erhob sich vom Bett und ging zum Fenster, schaute hinunter in die Dunkelheit, auf den Mond, der im Pool schwamm, als sei er hineingefallen. Der Pool würde bald, nachdem die Bonds wieder nach Manhattan gefahren wären, abgedeckt werden und mit Laub übersät sein. Komisch, wie sie einfach aufhörten, hier in dieser Villa zu leben, und anfingen, dort in einem Penthouse zu wohnen, so, als sei ihr Leben in zwei Hälften geteilt.
    Die Stimmen, die sich auf der Treppe näherten, raschelten wie Taft - es waren Frauen auf dem Weg zum Klo. Er benahm sich nicht wie ein anständiger Gast, wenn er hier oben rumhing. Er sollte wieder zur Party hinuntergehen.
    Das Telefon auf dem Nachttisch mit seinem roten Schlangenäuglein von einem Tastenknopf, der immer leuchtete, weil er vielleicht zu einem Sicherheitssystem gehörte, fesselte ihn. Er starrte auf die beleuchtete Wählscheibe und auf die strahlenden Ziffern.
    Chad dachte sich, wie leicht es doch jetzt wäre, den Hörer abzunehmen, seinen Vater anzurufen und so zu dem Geld zu kommen. Das Doppelte zu kriegen.

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